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Montag, 25. März 2024

Im Sinne der Nachhaltigkeit (Texte im Museum 1109)

 

So ausführlich hat man es noch nie gelesen. Das ist das ausformulierteste Berührungsverbot, das ich je in einem Museum gefunden habe. Unter pragmatischen Gesichtspunkten scheint der Text vollkommen schlüssig und sinnvoll. Berühren oder noch heftigere Formen der Handgreiflichkeit können Spuren auf Dingen hinterlassen. Ob das gleich ihre Qualität oder Zeugenschaft stört oder gar zerstört? 
Ich schlage nach, was das Modewort "Nachhaltigkeit" bedeutet und finde: "Nachhaltigkeit bzw. sustainability oder auch nachhaltige Entwicklung bzw. sustainable developement ist ein Handlungsprinzip, nach dem nicht mehr verbraucht werden soll, als wieder nachwachsen kann oder sich regenerieren kann. Zukünftige Generationen sollen durch unser Handeln nicht eingeschränkt werden. Im Idealfall werden durch das nachhaltige Handeln ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen mit einbezogen (drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsdreieck)."
Nun. In diesem Sinn war das Museum immer schon nachhaltig. Aber im übertragenen Sinn ("nachwachsen" wird im Museum nichts). "Verbraucht" (also verkauft, hergegeben oder durch Gebrauch abgenutzt) konnte im Museum nie etwas werden. Daß Dinge so weit wie möglich unverändert und auf unbestimmte Dauer, implizit sogar "auf ewig" aufbewahrt werden ist eine Grundprinzip der Institution Museum.
Hat die Ausführlichkeit dieses Textes etwas mit den Attacken von Klimaschützern auf in Museen verwahrte Kunstwerke zu tun? Steht hinter dem Text und dem Appell an den Besucher, sich zu disziplinieren, also der Klimawandel? Aber wie groß ist der Beitrag, den das Museum für jene tiefgreifende Nachhaltigkeit leisten kann, die nötig wäre, um den Klimawandel zu stoppen?
Im Text steckt das Vertrauen, daß es noch möglich ist, der irreversiblen Zerstörung unserer Lebensmöglichkeiten aufzuhalten. Wenn Du lieber Besucher, bloß deine Pfoten im Zaum hälts, dann genügt das schon.
Angesichts der immer dramatischeren Meldungen, Berechnungen und Voraussagen, könnte man einen solchen Text als viel zu harmlos oder gar verharmlosend einschätzen. Als eine Variante des greenwashing, das vorgibt, etwas mit kleinsten Schritten groß verändern zu können.
Außerdem: Es ist eine Aufforderung des Museums an die BesucherInnen. Sie sind es, die die Arbeit am ökologischen Gleichgewicht verantworten sollen. Was das Museum beiträgt, bleibt unklar. Und es ist eine disziplinierende Maßnahme. Teil der Hausordnung, die das Benehmen regeln soll. Heute sind diese Regeln sehr dezent und man vergisst leicht, in welchem Ausmaß, das Museum ein Setting von Regeln und Riten ist, derer man sich nicht bewußt bedient, die aber einerseits als unbewußte um so mächtiger wirken, andrerseits eine von oben (vom Staat, der öffentlichen Hand) angeordnet, ein Setting, das wie Kafkas Gesetz nicht durchschaut werden soll, wenn es wirken soll, dem wir trotzdem gehorchen, ohne seine Wirkung zu durchschauen.

Dienstag, 23. November 2021

Bauersfrau, auf dem Kopf einen Korb tragend oder Liegt die Zukunft des Museums in seiner Digitalisierung

 

Meret Oppenheim: Bauersfrau, einen Korb auf dem Kopf tragend

Informationstext zum Digitalisierungsprojekt

Die Helvetia-Versicherung wirbt im Kunstmuseum Bern für ihr Digitalisierungsprojekt, hier der "Handschuh" von Meret Oppenheim
Alle Fotos Gottfried Fliedl 2021


Freitag, 23. August 2019

Soll man...? (Sokratische Frage 45)



Soll man Kunstwerke (oder überhaupt Museumsobjekte) im Interesse ihrer dauerhaften Konservierung dem Publikum entziehen?

Oder ihren Verschleiß durch den"Gebrauch" des Zeigens, Ausstellens, Betrachtens aussetzen?

Freitag, 12. Dezember 2014

Asche zu Asche (Objet trouvé)

Reste von John Baldessaris Werk. Kekse, gebacken aus der Asche aus der Verbrennung seiner bis dahin entstandenen Werke. "Cremation project". 1970.

Montag, 6. Januar 2014

Bitte nicht! (Museumsphysiognomien)



Das klassische Museumstabu, die Dinge nicht zu berühren, durch praktische Gebrauchsaskese an ihrem ewigen Leben mitzuweben, ist nicht so selbstverständlich jedem Besucher eingebildet, als das es nicht notewendig wäre, es mit Hilfe einer entsprechenden Beschriftung zu erinnern und zu erneuern. Zumal dann, wenn ein Objekt geradezu dazu einlädt, es in Gebrauch zu nehmen.
So scheinen dieser Sessel und dieses Textblatt trivial. So etwas gibt es in vielen Museen. Aber die scheinbar unauffällige Geste, ist doch auch noch etwas anderes als nur ein bekräftigtes Gebot, sich gefälligst auf den Augensinn zu beschränken.
Diese Geste trennt das Museum vom Nicht-Museum. Denn woher soll ein Besucher wissen, daß er vor einem Sessel steht, auf den auszuruhen er eingeladen ist oder der, wie hier im Freud-Museum, zum Interieur einer Wohnung einer "historischen Person" gehört, deren Andenken wir in der Betrachtung von Resten würdigen?
Der kleine Unterschied von Museum und Nicht-Museum ist in aller Regel keinem der Dinge zu entnehmen, die im Museumsraum exponiert werden. Wir trennen beim Museumsbesuch rasch und unbewusst auf Grund von Alltagserfahrung den Feuermelder, die Sicherheitskordel, die transparente Vitrine, den Beleuchtungskörper, die Objektbeschriftung und vieles andere mehr von den "eigentlichen" Exponaten.
Sie alle werden durch eine vorgängige Entscheidung, durch ein Positionieren, ein Stellen und Zeigen und ein Rahmen zu dem, was wir "Museum" nennen. Sie selbst bleiben sich gleich, egeal ob wir sie nur symbolisch besitzen (als Eigentümer staatlichen Sammlungsgutes, wenn auch abstrakt und abgeleitet von der Idee des gemeinsamen kulturellen Erbes) oder real besetzen. Davor sei der beschriftete Zettel vor! Auf den setzt man sich, eingedenk höflicher Umgangsformen und bürgerlicher Sittsamkeit eher noch weniger, als auf den Stuhl selbst.
Bitte nicht! heißt also: hier ist Museum!


Montag, 25. März 2013

Museumssparen vor fünfzig Jahren

1966 ordnete der Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic den staatlichen Museen Österreichs ein Sparprogramm für an. DER SPIEGEL berichtete damals (8.12.1965): "Der Minister will im nächsten Jahr nicht einen Schilling für Ausstellungen, Bilderkäufe oder Investitionen ausgeben. Die laufenden Kosten (für Telephon, Korrespondenz und Strom zum Beispiel) seien ... aufs Minimum zu beschränken.
Hauptbetroffener war das jüngst gegründete Museum des XX. Jahrhunderts und sein Direktor - Werner Hofmann, der sich "zur Karikatur und Funktionslosigkeit verurteilt" sah. "Wenn das Museum nichts mehr zu zeigen hat", zitierete ihn der Spiegel, "braucht es nicht erst aufzumachen. Praktischerweise stellen sich Einsparungen an Strom- und Telephonkosten dann von selber ein."
Piffl-Percevic, vom 2. April 1964 bis 2. Juni 1969 auch für die staatlichen  Musen zuständiger Minister, konnte ohne von einer empörten Öffentlichkeit dabei gestört zu werden, die Vorteile seines Sparkurses empfehlen: "Die Kustoden können sich ungestört ihrer wissenschaftlichen Arbeit widmen" und die Kunstwerke wären "den Gefährdungen entzogen, denen sie durch das Publikum ausgesetzt sind".
Einige Jahre später saß ich in einem Kunsthistorischen Seminar einer Ersten Direktorin des Kunsthistorischen Museums mit StudienkollegInnen gegenüber, die ein solches Museumsbild noch immer pflegte - und dabei nicht allein war. Die Museumsforschung solle von der Öffentlichkeit möglichst unbehelligt betrieben werden dürfen. Es war die Zeit, da große kunst- und kulturhistorische Ausstellungen allmählich eine erste Ahnung vom Potential der Popularisierung der Museumsarbeit gaben und konservativere Kuratoren und Direktoren zu solch heute ganz seltsam klingender Abwehrhetorik trieben.
P.S.: Piffl-Percevic, Jurist, Historiker, Kammerangestellter, Abgeordneter und dann Minister in der ÖVP-Regierung unter Kanzler Klaus, hatte auch in einem anderen Fall kein besonderes Glück mit der von ihm verwalteteten Kultur. Thomas Bernhard sollte den 1968 den Förderungspreis für österreichische Literatur erhalten, beleidigte aber, so der Minister, die Österreicher, die Bernhard als "Geschöpfe der Agonie" bezeichnet hatte. Der Minister enteilte der Veranstaltung wutentbrannt und ließ eine weitere Preisverleihung an Bernhard absagen.

Montag, 27. August 2012

Musealisierung als Ausrottung

(...) So hat man vor kurzem die gesamte Wissenschaft und Technik mobilisiert, um die Mumie von Ramses II zu retten, nachdem man sie einige Jahrzehnte im hintersten Winkel eines Museums hat verfaulen lassen. Bei der Vorstellung, nicht retten zu können, was die symbolische Ordnung während 40 Jahrhunderten zu konservieren wußte ‑ allerdings dem Licht und dem Blick entzogen ‑,wird das Abendland plötzlich von Panik ergriffen. Ramses hat für uns heute keine Bedeutung mehr, nur die Mumie ist von unschätzbarem Wert, denn sie ist der Garant für den Sinn der Akkumulation. Unsere gesamte lineare und akkumulative Kultur bricht zusammen, wenn sich die Vergangenheit nicht für alle sichtbar speichern läßt.
Um diesen Zusammenbruch zu verhindern vertreibt man die Pharaonen aus ihrem Grab und die Mumien aus ihrer Stille. Dafür exhumiert man sie und läßt ihnen militärische Ehren zuteil werden. Sie sind gleichzeitig Beute der Wissenschaft und Beute der Würmer. Nur das absolute Geheimnis sichert ihnen diese tausendjährige Macht ‑ die Herrschaft über die Fäulnis, die zugleich die Herrschaft des totalen Tauschzyklus mit dem Tod ist. Wir können unsere Wissenschaft nur noch in den Dienst der Wiederherstellung von Mumien stellen, d.h. eine sichtbare Ordnung restaurieren.
Demgegenüber war die Einbalsamierung eine mythische Arbeit mit dem Ziel, eine verborgene Dimension zu verewigen. Wir benötigen eine sichtbare Vergangenheit, ein sichtbares Kontinuum, einen sichtbaren Ursprungsmythos, der uns über unser Ende beruhigt. Denn im Grunde haben wir nie daran geglaubt. Warum das historische Schauspiel bei der Ankunft der Mumie am Flughafen? Weil Ramses eine große despotische und militärische Figur war? Ganz sicher. Doch vor allem, weil unsere Kultur davon träumt, hinter dieser verstorbenen Macht, die sie sich einzuverleiben sucht, eine Ordnung zu besitzen, die mit ihr nichts zu tun hätte. Sie träumt davon, weil sie diese Macht als/wie ihre eigene Vergangenheit durch Exhumieren ausgerottet hat.
Wir sind von Ramses fasziniert, wie die Christen der Renaissance von den Indianern Amerikas, jenen (menschlichen?) Wesen, die nie etwas vom Worte Christi gehört haben, fasziniert waren. In den Anfängen der Kolonialisierung gab es einen Augenblick der Bestürzung und des Taumels angesichts der Möglichkeit, selbst dem universellen Gesetz des Evangeliums zu entkommen. Nur eines war möglich: entweder man gab die Nicht‑Universalität dieses GESETZES zu, oder aber man rottete die Indianer aus, um alle Beweise dafür zu vernichten. Im Allgemeinen gab man sich damit zufrieden, die Indianer zu bekehren, oder einfacher noch, sie zu entdecken, was ausreichte, um sie allmählich auszurotten.
So wird es ausreichen, Ramses zu exhumieren, um ihn durch Museifizierung auszurotten. Denn Mumien verfaulen nicht an Würmern: Sie sterben, weil man sie aus der verschlafenen Ordnung des Symbolischen ‑ Herr der Fäulnis und des Todes in die Ordnung der Geschichte, der Wissenschaft und des Museums transhumiert, eine Ordnung, die nichts mehr beherrscht, die lediglich das ihr Vorausgegangene weihevoll der Fäulnis und dem Tode überantwortet und anschließend mit Hilfe der Wissenschaft wieder zum Leben erweckt. Nicht wieder gutzumachende Gewalt gegenüber allen Geheimnissen, Gewalt einer Kultur ohne Geheimnis, Haß einer ganzen Zivilisation auf ihre eigenen Grundlagen.

aus: Jean Baudrillard: Ramses oder die jungfräuliche Wiederuaferstehung

Mittwoch, 21. September 2011

Sonntag, 18. September 2011

Das Ewigkeitsversprechen des Museums


Museumsgut, dreifach geschützt: durch die Absperrung (gegen Besucher), den Feuerlöscher) gegen Naturgewalten und Katastrophen, gegen umwelt- oder materialbedingten Verfall (Plastikverpackung