Posts mit dem Label Zeitgeschichte werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Zeitgeschichte werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Dienstag, 9. Juni 2020

Heeresgeschichtliches Museum. Es kommt etwas in Bewegung. In Richtung wie bisher oder Erneuerung, bleibt offen.

"Mit dem HGM verfügen wir neben einem großartigen Museum auch über viel Verantwortung gegenüber unserer Geschichte, der Geschichte unseres Militärs und der dunkelsten Stunden unserer Zeit. Die kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Dritten Reichs ist mir hierbei ein besonderes Anliegen" sagt via Austria Presseagentur die für das Heeresgeschichtliche Museum zuständige Ministerin. Das Museum werde weiter Teil des Verteidigungsminsteriums bleiben. Und die vorgesehene weitere Evaluierung des Museums werde es geben.

Offen bleibt, welche "Teile" denn nun geändert werden und vor allem von wem. Wird der bisherige Direktor wiederbestellt und bleibt das bisherige Museumsteam unverändert? Gegen das waren ja Vorwürfe rechtsetremistischer Betätigung laut geworden, die aus den diversen Evaluierungen inzwischen verschwunden sind. Und der bisherige Leiter bemühte sich eher um die Relativierung der Vorwürfe. Sich selbst als Autor künftiger Erneuerung zu empfehlen ist angesichts jahelanger Duldung des nun kritisierten Status Quo eher eine Drohung.

Ungelöst bleibt auch, warum in einem Heeresmuseum ein bestimmter Abschnitt der Zeitgeschichte überhaupt eine eigene Ausstellung bekommen soll, warm es eine ungeklärte Doppelgelisisgkeit mit dem Haus der Geschichte Österreich (und anderen zeigeschichtlichen Museen) weiter geben soll.

Diskussionswürdig sind Überlegungen, die z.B. Wolfgang Muchitsch, Leiter der Evalierungskommissiion angestellt hat, beiden Museen, dem Haus der Geschichte Österrreich und dem Heeresgeschichtlichen Museum den vollen Status eines Bundesmuseums zu geben und dadurch die überfällige Kooperation zwischen beiden Museen möglich zu machen. Der mutigere Schritt, der politisch wohl kaum durchsetzbare, wäre der, das Kozept beider Museen gründlich zu überdenken und unter Umständen ein einziges Museum der österereichisvchen Geschichte zu etablieren. Von mr aus in einem Neubau aber, warum nicht, im derzeitigen Gebäude, dem Arsenal.

Überfällig wäre auch die Herstellung voller Transparenz bei der Bestellung von ExpertInnen und Einrichtung von Kommissionen und, endlich einmal, die Einbindung jener zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich bei der Krtitik am Museum verdient gemacht haben und sie überhaupt erst ins Rollen brachten.

Zur jüngsten Entwicklung der Diskussion um das Museum seit der Anfrage der "Grünen" im Parlament im Februar 2020 siehe diesen Link.

Und grundsätzliche Anmerkungen zum Museum sowie weiterführende Links finden sich unter diesem Link.

Donnerstag, 28. März 2019

"Bruch und Kontinuität. Das Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918". Die ziemlich bessere Ausstellung zum Anlaß der Feier der Republikgründung


Eben ist Karl Habsburg, Enkel des letzten Kaisers von Österreich-Ungarn, verurteilt worden. Auf seiner Webseite verwendet er das "von". Das verstößt gegen das 1919 erlassene Habsburgergesetz. 70.- Euro soll ihn das kosten. Er hat gegen das Urteil berufen. Obwohl er nicht in Österreich lebt, fällt ihm jetzt eine Entscheidung auf den Kopf, die sein Großvater 1918 ausgelöst hat.

Die Geldbuße ist ein bizarrer Nachklang eines welthistorischen Ereignisses. Im Zusammenbruch der Monarchie war die Beendigung der Herrschaft der Familie Habsburg unausweichlich. Aber Kaiser Karl wiederrief im letzten Moment, auf dem Weg ins Exil, seine Abdankung. Das provozierte die junge Republik sofort dazu, Gesetze zu erlassen, die nicht nur das Tragen von Adelstiteln verbot, sondern auch Grundlage der Vertreibung der gesamten Familie Habsburg waren.

Wie weitreichend das Gesetz war läßt sich aus seiner Formulierung unschwer erkennen: Der nun im Ausland lebende ehemalige Träger der Krone wurde auf Dauer ins Exil verbannt, auch alle anderen Mitglieder „des Hauses Habsburg-Lothringen“, wenn sie nicht einschlägige Verzichtserklärungen abgaben und sich zur Republik bekannten. Eines dieser sich zur Republik bekennendes Mitglied wird in der Ausstellung nachdrücklich gewürdigt: Erzherzogin Elisabeth, Tochter Rudolfs, in erster Ehe eine Fürstin zu Windisch-Graetz. Durch ihre Ehe mit einem Sozialdemokraten wurde eine einfache Frau Petznek aus ihr, deren Nobilität wie einer List der Geschichte folgend, in der Bezeichnung als "Rote Erzherzogin" dennoch erinnert blieb.



Zugleich mit der Landesverweisung der Habsburger wurde das staatliche, aber in der Verwaltung des kaiserlichen Hofes gestandene hofärarische bewegliche und unbewegliche Vermögen im Staatsgebiet der Republik Deutschösterreich verstaatlicht. Das betraf also auch habsburgischen Familienbesitz mit Ausnahme strikt privaten Eigentums.
Es setzte nun ein politisch-ideologisch, administrativ-rechtlich umfassender und komplizierter Transformationsprozess ein, ein "Erbfall", dessen Komplexität man kaum erahnt. Ihm ist nun eine Ausstellung in jener inzwischen zum Museum (1924) gewordenen Institution gewidmet, die einst viele der monarchischen Mobilien verwahrte und verwaltete und dann, in der Republik, zu einem Ort des Deponierens und der Schaustellung wurde.

Lange Zeit war das Mobiliendepot selbst ein bizarrer Ort, ein Geheimtipp für museologische Connaisseure, ein Ort des halb und halb Vergessens und dennoch untot Überlebens. Ein typisch österreichischer lieu de mémoire - an dem Geschichte weder durchgearbeitet noch definitiv verabschiedet wurde.


Aber dann machte eine tiefgreifende bauliche und ausstellungspolitische Wende (seit 1993) das "Mobiliendepot" zu einem Museum, das teils historisch-dokumentarisch arbeitet, mit der Funktion eines Design-Museums liebäugelt aber auch in der in Teilen der Schausammlung inszenierten ironisch-fingierten Depotsituation, den Pomp und die historische Last des monarchischen Erbes bricht. Mit dem (partiell anachronistischen) Doppelnamen Hofmobiliendepot Möbel Museum Wien hält man sich beide Optionen offen; Die touristisch vermarktbare Habsburger-Nostalgie einerseits, das wissenschaftliche Sachmuseum andrerseits.
Wenn das Museum nun eine Ausstellung dem "Erbfall" der Republik eine Ausstellung widmet, dann kann es das aus seiner eigenen Geschichte und Funktion heraus machen und auch weitgehend aus eigenen Beständen. Keine Institution hätte mehr Legitimität und Kompetenz dazu. Anlaß ist das Republikjubiläum 1918, das ja auch an manch anderen Orten "gefeiert" wird, etwa in Wien mit der ersten Ausstellung des Hauses der Geschichte Österreich oder in Graz (Stadtmuseum) mit der Ausstellung Im Kartenhaus der Republik. 


Die Ausstellung im Hofmobiliendepot hat mich von all den einschlägigen Ausstellungen am meisten interessiert. Das Indiz, das ich anführen kann, sind die - von mir unbemerkt vergehenden - zwei Stunden, die ich sehr konzentriert und bis zum Schluß neugierig in der Ausstellung verbrachte. Ohne zu ermüden und über den Besuch hinaus zu vielen Fragen inspiriert, die ich dann zu Hause via Internet "nachgelesen" habe.

Das am wenigsten Überzeugende an der Ausstellung ist sein Titel "Bruch und Kontinuität. Das Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918", das die nichtssagenden Langweilerworte "Bruch" und "Kontinuität" vor die schwülstige Kontamination von "Schicksal" mit "Habsburg" setzt - wo es doch um den Aufbruch in eine neue Zeit geht. Im Titel ist die Republik untergegangen, nicht die Monarchie. Das zweite, was ich nicht so geglückt fand, aber damit bin ich mit dem Mosern schon am Ende, ist die Gestaltung der Ausstellung, die offenbar eher an einer Art kakanisch-repräsentativem Flair orientiert scheint, als am frischen Wind republikanischer Ästhetik.

In der kurzweiligen Eröffnung entspann sich unter den Festrednern eine spontane Kontroverse über die Einschätzung von 1918 zwischen Kontinuität und Revolution. Letzteres war es für Expräsident Heinz Fischer, der 1918 als revolutionär einschätzte - verfassungstechnisch, wie er betonte. Die für das Museum verantwortliche Sektionschefin  erweiterte den Revolutionsbegriff, indem sie die Beamtenschaft, die die Erbpolitik administrierte, als durchaus revolutionär befähigt bezeichnete. Da könnte man aber zur Vorsicht raten, denn es dauerte nicht lange, ehe dieselbe Beamtenschaft eine ganz andere Revolution entschiedend mittrug, jene von 1939ff.
Die Museumsleiterin, Ilsebill Barta, betonte die Kontinuität und gab der Leistung der Beamtenschaft, die die Transformation des Erbes innerhalb von geradezu sagenhaft kurzen drei Jahren abschloß, eine überraschende, sowohl tiefösterreichische als auch schon fast geschichtsphilosophische Dimension. Als Replik auf Heinz Fischers Worte zum Revolutionären 1918er-Jahr antwortete sie mit dem lakonischen Satz: "Es ist ja nix passiert".

Die Ausstellung hat Grundttugenden, die man bei jeder Ausstellung als Besucher schätzt: Eine klare Gliederung und Struktur, in diesem Fall eine Chronologie, Übersichtlichkeit, klare Abgrenzung der Themenbereiche, sehr passable räumliche Orientierung. Lange und viele Texte, aber gut geschrieben und geeignet, auch Unvertrautes und so Kompliziertes zu entwirren, wie den habsburgischen "Hofstaat" oder die Besitzverhältnisse in der Monarchie.

Ich kann mir an der Stelle die Spitze gegen das Haus der Geschichte Österreich nicht verkneifen, das dieselbe Grundfläche wie die Ausstellung im Hofmoniliendepot hat, aber mit einem Vielfachen an Objekten (angeblich 2000) und unglaublich vielen Themen den Besucher schnell ermüdet (nicht nur mir ist es dort so gegangen, allen meinen Freunden, die das Museum besuchten), zumal ein stringentes Leitsystem fehlt und wohl auch eine leitende Idee (das ist aber eine andere Geschichte).

Ich hatte mir bis zum Besuch der Ausstellung "Bruch und Kontinuität" noch keine Vorstellung über das Ausmaß des Erbfalls von 1918 gemacht. Es ging um Großbauten wie die Hofburg, und um wichtige kulturelle Institutionen wie etwa die Hofmuseen, die Oper, das Burgtheater, es ging aber auch um Tischtücher und Weinflaschen (aus der Hofkellerei). Es ging um Möbel und um Juwelen, die, als privater Besitz, in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Schatzkammer "entfernt" wurden und als "verschwunden" gelten. Es ging um Insignien und um Nachttöpfe, um Gemälde oder um Servietten, Teekannen und Tischtücher. Das war und ist übrigens noch immer eine Funktion des Mobiliendepots und der Silberkammer (das Zwillingsmuseum in der Hofburg), das nutzungsorientierte Aufbewahren. Für diplomatisches Tischlein-Deck-Dich wird heute noch vom Staat auf die Bestände der Museen zurückgegriffen - in gewissem Umfang ist hier möglich, was ansonst Museen strikt verwehrt ist: der praktische Gebrauch der Objekte.


Vieles was es ab 1918 zu regeln galt, war von Not diktiert. Die Versorgung der Bevölkerung, die Schaffung von Wohnraum waren die wichtigsten Aufgaben, die zu lösen waren. Und so versteigerte man vieles bzw. hätte sich auch auf den Tausch z.B. von Ausstattungegegenständen aus Schönbrunn gegen Lebensmittel eingelassen. Schönbrunn wurde zum Soldatenquartier. Nur am Rand, mit Hilfe von Zitaten Karl Renners über die Verantwortung des "Erzhauses", wird deutlich, wie groß die Not war und der Haß auf die Habsburger und auf die Monarchie. Zu groß waren die erzwungenen Opfer von Soldaten und in der Zivilbevölkerung. Dieser Haß, aber auch alle damit verbundenen Einsichten und Lernprozesse, wo sind die eigentlich geblieben - sind sie durch die Habsburgernostalgie seit den 1950er-Jahren übertüncht, verschüttet worden? Hat uns Romy Schneider davon erlöst?


Es gab jede Menge rechtlicher, logistischer, finanzieller Probleme zu lösen. Für Ideologisches war da meist kein Platz. Immerhin war die Hofburg so kontaminiert, daß sie als Sitz des Bundespräsidenten nicht in Frage kam, das passierte erst nach 1945. Allein um die (Hof)Sammlungen bahnte sich ein Grundsatzstreit an, eigentlich weniger ein Streit, als ein zähes Bemühen, sie zu wahrhaft republikanischen Institutionen zu machen. Dieses in der Ausstellung ausführlich dargestellte Kapitel der österreichischen Museumsgeschichte hat mich schon als Student interessiert - das Bemühen des Kunsthistorikers Hans Tietze, der zeitweilig oberster Kulturbeamter war, die Museen zu transformieren, auch solche Flagschiffe wie die Albertinasammlung und das Kunsthistorische Museum. Er scheiterte am konservativen Widerstand. Mir scheint, daß dieses Scheitern bis heute tiefe Spuren hinterlassen hat. Ein bürgerlich geprägtes Museumswesen hat sich in Wien (in den Ländern war das anders) angesichts der vielen und großen habsburgischen Sammlungen kaum entwickeln können. Und so prägt - meiner Meinung nach -, bis heute eine Art postfeudaler Haltung die Arbeit vieler Museen, namentlich das Kunsthistorische, das selbst dem vergleichsweise zum k.und.k-Nimbus plebejisch-neoliberalen Zugriff Wilfried Seipels widerstanden hat, aus ihm eine Art Geldmaschine werden zu lassen, die das symbolische Kapital, so gut es halt geht, zu pekuniärem machen sollte.

Sehr interessiert hat mich der Ausstellungsteil zur Neuen Hofburg. Ihr Architekt erwies sich als erstaunlich flexibel, den jeweiligen politischen Instanzen zu ideologisch wechselnden Zeiten das Passende bei der Fertigstellung des Bauwerks anzubieten, mal Luxushotel, mal Kinderheim. Mal Rendite, mal Wohlfahrt. Man erfährt da so einiges, wie hier eher ratlos und unentschieden mit dem längst Überdeterminierten der Architektur umgegangen wurde. An dem Brocken Erbe hat man sich verschluckt. Bis heute gibt es kein Konzept, wie man mit dem imperialen Anspruch des Torso gebliebenen "Forum" aus Museen und Hofburg umgehen soll. Zum Verständnis der Situation trägt dieser Ausstellungsabschnitt umfassend bei, man erfährt viel über jenen wenig zufriedenstellenden Zustand, in dem das Gebäude und die hier untergebrachten Museen sind. Das gilt erst recht für das neuerdings durch ein ministerielle Machtwort einquartierte und schon erwähnte Haus der Geschichte Österreich. Für ein Republikmuseum war sein Standort - es standen mehrere zur Wahl -, immer schon umstritten. Erst recht dann der Umzug in die Neue Burg. Das Haus der Geschichte Österreich, das ist meine zweite Spitze gegen dieses neue Museum, trägt nichts zur selbstreflexiven Befragen seines Standorts bei. Anders als vollmundig angekündigt, hat man sich mit der vorhandenen Architektur nicht auseiandergesetzt. Sie durch Bespielung zu kommentieren oder konterkarieren hat man unterlassen. Das Haus der Geschichte Österreich fährt eisern seine message control und trägt, meiner Meinung nach ganz gezielt, nichts dazu bei, eine Debatte über Sinn und Zweck dieses Museums, also auch seines Standortes, zuzulassen. Verheerend für ein Museum, das ständig mit Wörtern wie "Demokratie" und "Diskurs" und "Offenheit" und "Partizipation" fuchtelt.

Es gibt viel zu Lesen in "Bruch und Kontinuität", aber es wird mit Objekten überdurchschnittlich klug umgegangen. Das "überdurchschnittlich" grenzt gegen die landauf landab in Ausstellungen geübte Notvergemeinschaftung ab, von - den Sinn (mehr oder weniger) tragenden - Text und der Zuordnung von "Alibi"-Objekten, die selbst kaum etwas bedeuten dürfen. Wo immer ich in letzter Zeit so genannte (zeit)historische Ausstellungen gesehen habe, erwiesen sie sich im Umgang mit Objekten phantasie- und hilflos. Die Kunst, visuell zu argumentieren, beherrscht kaum jemand, Objekt reiht sich an Objekt ohne die geringste Verbindung einzugehen. Mehr wird auch gar nicht intendiert. Die Geste "da hätten wir übrigens noch was zu zeigen" überwiegt. KuratorInnen scheinen glücklich, überhaupt an Sammlungsbestände gekommen zu sein und machen mit ihrem Besitzerstolz aus Exponaten Auslegeware, deren Sinn sich im Bestauntwerden erschöpft.
Monika Flacke, die im Deutschen Historischen Museum als Kunsthistorikerin unter die Historiker gefallen ist, hat vor Jahren in einem schönen Essay diese im Grunde vortheoretische und unbedarfte "Bildpraxis" der Ausstellungshistoriker scharf kritisiert und für diesen gegenüber der Polyvalenz von Bildern unempfänglichen und für bildhaftes Erzählen unfähigen Typ von Ausstellungen das Wort "Historikerausstellung" erfunden.

Man gehe mal ins Haus der Geschichte (meine dritte und letzte Gemeinheit gegenüber diesem Museum, versprochen) und konzentriere sich ausschließlich auf die Frage, wofür dort eigentlich Objekte stehen. Mal ganz abgesehen davon, daß es dort vorkommt, daß die KuratorInnen ihre Objekte selber nicht verstehen, (wie etwa Conchitas "Sieger"-Kleid).


Dagegen hier, im Hofmobiliendepot: Die originale Vitrine der Schatzkammer mit mit den leeren Schatullen zu zeigen, in denen einst die royalen Kostbarkeiten lagen, zusammen mit einem historischen Foto der Vitrine im ursprünglichen Zustand, das ist zwar kein neuer Kniff etwas sinnfällig zu machen: nämlich die Entwendung der Kronjuwelen, die das Hofmoniliendepot in Kooperation mit der Schatzkammer nun weitgehend aufgeklärt hat. Aber es ist eine Methode, nicht alle Last der Verständigung auf Texte abzuwälzen. Schön sind so fast versteckte symptomatische Dinge wie das Foto vom Hofzug, der den kleinen Bahnhof in der Nähe von Eckartsau verläßt um den "letzten Kaiser" ins Exil zu begleiten. Man hat der denkbaren Versuchung widerstanden, das Foto inszenatorisch oder maßstäblich zu pushen. Wie eine Fußnote bietet es einen fast beiläufigen Kommentar, als banaler anonymer Schnappschuß, der mit einer tiefen Zeitenwende kontaminiert ist.



Ein Thron als Museumsstück ist schon ein Symtom als solches, aber der hier, ein "letzter", wird inszeniert als könne er jederzeit wieder bestiegen werden. Wenn da nicht die übliche Museumskordel wäre, die ihn zum musealen Schaustück macht und dann ist da noch ein an die Thronstufen gelehnte Text über den man "stolpern" soll. Joseph Roths bitter-aphoristische Sätze schaffen nicht nur zusätzlichen Bedenkraum, den jede musealisierende Distanz eigentlich schaffen sollte, sondern vermiesen einem auch gründlich vorschnelle triumphalistische  Identifikation mit dem Republikanismus. Ein Historiker dürfte so etwas nicht schreiben, ein Literat ja, und auch wenn das gegenüber einem wissenschaftlichen Text den Makel des Unscharfen, Polemischen an sich hätte, Roths saloppe Formulierungen schließen mehr auf als ein halbes Essay.
Alfred Polgar steuert an andrer Stelle dann noch kongeniale Sätze zum Museumswerden des Habsburgergutes bei, also zur Umwandlung des Depots in ein Museum - zu lesen als ein selbstironischer und selbstreflexiver Akt, auch aufs heutige Museum anwendbar, aber übertragbar überhaupt auf die prekäre Dialektik des Musealen, für die die Alltagssparache den Sinn fürs Negative, Über- und Abgelebte bewahrt hat. Etwas als "museal" zu bezeichnen ist nie freundlich gemeint.


Eine solche ironische Rahmung, die ein Museum einem solch überdeterminierten Erbe bietet, kann einen schon irre machen  - soll ich jetzt spekulieren, ob die "Glocke zum Führer" nicht nur für den Beamten gedacht gewesen war, der Führungen durch das junge Museum angeboten hat, sondern durch zu häufiges und zu langes Läuten einen anderen Führer herbeigerufen hat? Man soll halt nicht zu viel Polgar lesen. Oder Thomas Bernhard.

An mehreren Stellen kam die Ausstellung meiner mitgebrachten ironischen Leseweise, meiner Neigung und Lust zum symptomatischen dechiffrieren, entgegen. An einem Spucknapf, ausgerechnet an einem Spucknapf, wird einem an Hand der an seiner Unterseite angebrachten Stempel, Aufkleber und Beschriftungen der lange Weg von Objekten durch die Zeiten büokratischer Verwaltetheit anschaulich gemacht. Hier hat man die ganze polirisch-historische Komplexität des Erbfalls an einem trivialen Objekt vor sich.



Und an einem Senftopf, ausgerechnet an einem Senftopf, hat man durch Wegkratzen des Doppeladlers versucht, das Objekt republiktauglich zu machen. Auch das noch: Intelligenz und Witz im Umgang mit Dingen!

Die Ausstellung ist bis zum 30.Juni 2019 zu sehen.





Dienstag, 26. Juni 2018

Unser Doktor Dollfuß oder: Wie in der Republik mit deren Bedrohung und Beseitigung umgegangen wird


Kassette mit Erde aus dem Grab von Engelbert Dollfuß
Holz, Erde, Produzent unbekannt
Österreich, 1935 Dr. Engelbert Dollfuß-Museum, Texing / Foto: ÖMV

Die Gemeinde Texingtal (Niederösterreich) will sich 2018 kritisch mit dem Erbe von Engelbert Dollfuß auseinandersetzen. Dollfuß ist in dieser Gemeinde geboren. In seinem Geburtshaus wurde 1998 ein Dollfuß-Museum eingerichtet.
„Wir müssen diese Jubiläumsjahre nutzen," sagt der Bürgermeister, "um uns mit unserer eigenen Geschichte zu beschäftigen“. Dazu ist das Museum da: „Dort wird das Historische gut erarbeitet und kritisch behandelt. Wir müssen die Thematik immer wieder diskutieren und aus den Fehlern der damaligen Zeit lernen.“
Der Manker SP-Stadtrat Anton Hikade, über dessen Zuständigkeit in dieser Angelegenheit man via Niederösterreichische Nachrichten nichts erfährt, meint hingegen: "Die Präsentation ist (...) ein Totenkult des Diktators.“
Allerdings hat Stadtrat Hidake das Museum nie gesehen. „Ich war einmal dort, da war aber geschlossen. (...) Es ist ja kein Museum zur geschichtlichen Weiterbildung. Und wozu sollte ich als Sozialdemokrat eine Kultstätte der ÖVP besuchen?“
Mank, die Heimat des Museumskritikers Zikade, hat kein Dollfuß-Museum dafür einen Dollfuß-Platz. Über eine Umbenennung wird im Gemeinderat diskutiert. Hikade ist für die Umbenennung und für eine Überarbeitung des Museums in der Nachbargemeinde: „In Zeiten, in denen es in Österreich einen gestiegenen Wunsch nach einem starken Mann gibt, wäre es höchst an der Zeit, der Öffentlichkeit auch den Führerstaat unter Dollfuß zu erklären.“
Der Texinger Bürgermeister kontert: "Ich lade alle ein, sich ohne Schaum vor dem Mund ein Bild zu machen. Die Zeit ist darin entsprechend dokumentiert.“ Die Frau Landeshauptmann wurde auch schon eingeschaltet. Was mit dem Museum wird, ist derzeit offen.
"Auf nön.at stimmten (laut NÖN.at, 3.5.2017) 65.7 Prozent gegen die Umbenennung des Dollfuß-Platzes in Mank."
Laut Google-Maps existiert der Platz noch. Als - Achtung! - Doktor-Dollfuß-Platz. Ehre wem Ehre gebührt.

"Chrtliches Gedenken"an den "Heldenkanzler". Dollfuß-Museum Texing

 P.S.: Eine ausführliche Kritik des Museums aus dem Jahr 2016 erschien in der Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft "progress" (hier). Zitat: "Für eine geschichtsinteressierte Person gibt es so gut wie nichts her: keine Hintergründe, keine differenzierte Auseinandersetzung. Es herrscht ein Mangel an Informationen sowie kritischer Distanz, der fast schon unterhaltsam ist: Dollfuß kam aus bescheidenen Verhältnissen, sammelte ein wenig Tand an, arbeitete hart und fleißig als Landwirtschaftsminister, wurde IRGENDWIE Kanzler, um dann von Nazis erschossen zu werden. Wer eine Ahnung von österreichischer Zeitgeschichte hat, muss schon eine Vorliebe für plumpe Aussparungen und Euphemismen haben, um dem Museumsbesuch etwas abgewinnen zu können. Wer keine hat, lernt auf Wikipedia wesentlich mehr."
Die Autoren der Museumskritik, Georg List und Michael Gruber weisen auf die finanzielle Förderung des Museums durch das Land Niederösterreich und das Unterrichtsministerium hin und zitieren aus dem Gästebuch: „In Zeiten von Freihandelsabkommen und Massenmigration braucht es wieder einen starken Führer.“

Eine massive Kritik am Museum und am "Dollfuß-Mythos" findet sich im gleichnamigen Buch von Lucile Dreidemy. Dazu (hier) die Renzension von Peter Huemer im "Falter" aus dem Jahr 2015.

Mittwoch, 21. Februar 2018

Abschied (Texte im Museum 657)

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstand Foto GF, 2018

Ja. Oder doch nicht (Texte im Museum 656)

Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. Foto GF, 2018

Wozu ein neues Republikmuseum - Österreich hat doch schon eines




Das Museum, das ich meine, hat nur drei Räume, stützt sich vor allem auf Texte, Fotografien und Faksimile von Dokumenten oder Plakaten. In einer Vitrine werden etwa drei Dutzend Objekte zu sehen gegeben. Mehr nicht.
Ich spreche von der Dauerausstellung des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands. Das 1963 gegründete Dokumentationsarchiv beschäftigt sich vor allem mit  Widerstand, Verfolgung und Exil während der Zeit des Nationalsozialismus, NS-Verbrechen, NS- und Nachkriegsjustiz, Rechtsextremismus in Österreich und Deutschland nach 1945, Restitution und Wiedergutmachung von NS-Unrecht. Dementsprechend sind auch die Schwerpunkte der Ausstellung gewählt, Verfolgung, Deportation, Widerstand, Zwangsarbeit, Konzentrationslager, Rechtsradikalismus.
Die Ausstellung umfasst nur sieben Jahre, vom Anschluß bis zum Ende des Krieges, wobei kurz auch der "Weg zum Anschluß" und mit den Themen "Entnazifizierung" und "Erinnerungskultur" auch knapp die Zeit unmittelbar nach 1945 behandelt wird.
Die Gestaltung der Räume ist schlicht, es gibt keinerlei inszenatorischen Großaufwand. Träger der Information sind hauptsächlich Texte und meist kleinformatige, der Zeit, Herkunft und Überlieferung entsprechend, auch qualitativ bescheidene Fotografien.
Die Texte sind knapp, sachlich, informativ, den einzigen Einwand, den ich habe, ist eine sehr kleine Schrift, die bei Texten, die gelegentlich nur knapp über Kniehöhe angebracht sind, nur noch mühsam lesbar sind. Nirgends erhebt der Text pädagogisch-moralisch den Zeigefinger - was ihn in meinen Augen umso stärker macht.
So ist etwa der Text zu Rechtsradikalismus eine exzellente Zusammenfassung, eine brauchbare Definition, die man ohne Vorbehalt auch auf heutige Vorkommnisse und Verhältnisse anwenden kann.
Die dreidimsionalen Objekte sind klugerweise nicht in die von Text und Bildern getragenen Erzählung integriert und laufen daher nicht Gefahr, zur bloßen Illustration zu werden. Es sind gerade die kleinen, unscheinbaren Objekte, die einen treffen. Ein Zettel mit einer Nummer, ein überstempelter Ausweis.

Warum soll das ein Republikmuseum sein? Wo es doch von der Zerstörung der Republik und der Demokratie berichtet? Eben deswegen. In dieser Zerstörung und ihrer Dokumentation wird dramatisch - ohne daß die Ausstellung Dramatik forcieren würde -, deutlich, was es bedeutet, wenn eine gesellschaftliche Ordnung gewaltsam zerstört wird, wenn demokratische Verhältnisse zerbrochen werden, wenn Menschenrechte missachtet werden.

Der ältere Herr, der die Gäste begrüßt und hinter dem Büchertisch sitzt meinte, als wir ins Gespräch kamen, "Die Demokratie ist nicht erst 1938 zerstört worden. Das ist schon vorher passiert. Und jetzt haben wir etwas, was wieder so eine Zeit ist, in der es zu spät sein könnte." Ich hoffe, er hat nicht recht. Aber das ist eine der Fragen, für die man solche Orte benötigt, Orte die ein unbedingt wichtiges Wissen bewahren und einem helfen, was aktuell geschieht, zu verstehen und zu bewerten.

Über die Wirkung eines Museums entscheidet, leider, nicht seine Qualität. Sondern auch der "Ort", an dem es sich befindet. Das ist topografisch gemeint, aber auch was den institutionellen Rahmen betrifft. So wichtig das Dokumentationsarchiv des Widerstandes ist, das ja Anfang der 60er-Jahre gegründet wurde, um einem reaktionären politischen Diskurs, der massiv von Tätern bestimmt wurde, etwas entgegenzusetzen, es wird immer wieder gezielt angegriffen. Seit der Gründung hat sich viel zum Positiven verändert, aber das Dokumentationsarchiv wird immer wieder und immer noch von rechter Seite attackiert und marginalisiert. Daß jüngst das DÖW eingeladen wurde, sich an der Aufarbeitung der Geschichte der FPÖ zu beteiligen - soll man das schon als Anzeichen einer Wende nehmen? Wie auch immer, die Ausstellung spielt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Rolle, die sie haben könnte und sollte. Hier drängen sich keine Besuchermassen, hier staut sich auch keine Berichterstattung der Medien. Doch den Vergleich mit den diversen (zeit)geschichtlichen Museen und Ausstellungen, muß es nicht scheuen. Im Gegenteil. Projekte, die im Aufbau sind, wie das Museum in der Hofburg, werden zeigen müssen, ob sie sich mit der nüchterne Genauigkeit und Unbestechlichkeit der Ausstellung des DÖW werden messen können. Ganz zu schweigen von den inferioren Museen in Innsbruck (Berg Isel), Wien (Heeresgeschichtliches Museum) oder St.Pölten (Haus der Geschichte).


Samstag, 1. Juli 2017

Ist der Kapitalismus jetzt wirklich tot? Es gibt nämlich jetzt ein Museum über ihn

Tim Portlock, CA$H_4_GOLD. Courtesy of the Museum of Capitalism

"Countless academics have long foretold the end of capitalism. One artist duo, Andrea Steves and Timothy Furstnau, is bringing all that theorizing down to earth with a museum to memorialize the world’s premier economic and political system, should the end be nigh.

The Museum of Capitalism (MOC), which opened its door this month in Oakland, California, is dedicated to “educating this generation and future generations about the ideology, history, and legacy of capitalism,” the museum’s site states. Visitors are invited to reflect on capitalism as if they resided in a post-capitalist era.
The artists registered the domain Museum of Capitalism.org in 2010 after listening to a political theorist give a moving account of visiting the Apartheid Museum in Johannesburg, and speculate that a museum might also one day memorialize the end of capitalism. The duo set immediately to the task, with a mission of tying the economic system’s history to race, class, and the environment."

Hier gehts zum ganzen Artikel: https://qz.com/1015649/a-new-museum-is-preparing-people-for-the-downfall-of-capitalism/



Freitag, 18. November 2016

Das Yassir-Arafat - Museum in Ramallah (Ein Museum)

Das Museum rechts, im Vordergrund Arafats Mausoleum
In Ramallah ist ein Yassir-Arafat-Museum eröffnet worden, in unmittelbarer Nähe zu seinem Mausoleum. Und nur wenige Monate nach einem historischen Museum in Birzeit, das so etwas wie ein prospektives Nationalmuseum ist. Einmal geht es um eine Identitätserzählung über eine Person, des Chefs der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, ein andermal um eine Erzählung der Geschichte des palästinensischen Volkes.
Jerusalem Post: "Nasser al-Kidwa, a nephew of Arafat and a Fatah Central Committee member, said the museum purposefully did not choose to focus exclusively on Arafat’s life. We want to show the whole story of the Palestinian people, from the dawn of the 20th century until 2004,” he said outside the museum. “This story is of 100 years of conflict and dispossession, [but] also the role of Arafat, who is the main figure in this Palestinian journey.”


Das rekonstruierte Hauptquartier Arafats während der israelischen Belagerung
Historisches Foto mit israelischen Panzerns vor Arafats Hauptquartier

Das Arafat-Museum arbeitet erwartbar mit vielen Erinnerungsstücken, "Reliquien", Waffen, Medaillen, Videos, seine Sonnenbrille, hanschriftliche Notizbücher, einen Gebetsteppich, Uniformen und Palästinensertüchern. aber auch mit der Rekonstruktion von Räumen, in denen er gewohnt hat, sein Schlafzimmer und einen Kellerraum, in dem er sein Hauptquartier hatte, in der er jahrelang bedroht während der israelischen Belagerung lebte.

Mehr als ein Jahrzehnt nach Arafats Tod 2004 soll das Museum wohl auch dem langsamen Vergessenwerden und dem Verlust vieler Dokumente entgegengewirkt werden und das zu Zeiten einer tiefen politischen Spaltung der Palästinenser selbst. Der Guardian: "Asked whether Arafat’s life – and the museum – represented a period of greater agreement and unity than in Palestinian society today, Halayqa answered diplomatically. People miss Arafat. This is a reminder he still exists in people’s memories. Hundreds come to visit his tomb. I’m not certain all are sure why they are coming but they do. And now there is the museum.”

Eine Website des Museums habe ich nicht gefunden.


Ausstellungfsraum, und (unten) persönliche Gegenstände Arafats und sein Schreibtisc



Sonntag, 6. November 2016

Moskau teilt offiziell mit... (Texte im Museum 596)

Museum Friedland (Foto: GF; 2016)

Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen

Sparbüchse in Zeppelinform (Foto: GF 2016)
Er war zwar nicht der Erfinder des Starrluftschiffes, aber er hat etwas geschafft, was Erfindern nicht so leicht zufällt: sein Name wurde zum Synonym für das volatile Gefährt - Ferdinand von Zeppelin (1838 - 1917). Wer ein eigentümlich ovaloid geformtes Objekt über seinem Kopf lautlos schweben erspäht sieht einen "Zeppelin".
Nach einer langen militärischen Karriere, zu der eine Beobachterposition im Amerikanischen Bürgerkrieg gehörte und eine Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg, widmete er sich nach seiner Verabschiedung aus der Armee, im Alter von über 50 Jahren, mit der Ballonluftfahrt, die er in militärischer Verwendung kennengelernt hatte und versuchte Armeeführer und Könige von der "Notwendigkeit der Lenkballone" (der Titel einer seiner Denkschriften) zu überzeugen. Ermutigend waren die Reaktionen auf seine Vorschläge ganz und gar nicht.
Auch der Beginn des Baues eines Starrluftschiffes wurde bespöttelt, obwohl schon ein Jahr später erste Aufstiege über dem Bodensee erfolgten. Die Wende brachte ausgerechnet die Havarie eines seiner Luftschiffe auf die mit Spenden und Interesse reagiert wurde.
Zeppelin, in Konstanz geboren, siedelte die Produktion der Luftschiffe in Friedrichshafen an und legte so den Grundstein zur rasanten Industrialisierung der Stadt am Bodensee.
Doch die Technik eines Starrluftschiffes erwies sich als schwierig beherrschbar und der Nutzen hielt sich in Grenzen. Zunächst wurden kurze Passagierflüge damit möglich und Aufklärung und Bombenabwürfe im militärischen Einsatz. Ab den 1920er-Jahren wurden so große und relativ zuverlässige Schiffe gebaut, daß sogar Transatlantikflüge möglich waren. Dennoch blieb der finanzielle und personelle Aufwand enorm - bei vielen Flügen mußte es ebenso viel Besatzung wie Fluggäste geben- daß die Weiterentwicklung zu riesigen Zeppelinen erst in der NS-Zeit mit massiver Unterstützung auch in Hinblick auf Kriegstauglichkeit möglich wurde. Der Betrieb der Schiffe blieb unsicher - man schätzt daß bis dahin bei allen Flügen zusammen etwa 45% der Besatzung umkamen. Das endgültige aus für den Zeppelin kam mit dem katastrophalen Brand und Absturz der "Hindenburg" in den USA (Lakehurst) 1937, das übrigens auch als erstes life übertragene Großunglück der Mediengeschichte gilt.
Damit kam die Entwicklung der Starrluftschiffe zum Erliegen. Aber es gibt eine List der Geschichte. 1945, als es der Bundesrepublik noch verboten war, eine eigene Luftfahrt aufzubauen, gingt die von Zeppelin vorsorglich eingerichtete Stiftung wegen Erlöschens des Stiftungszwecks an die Stadt Friedrichshafen über, die in der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit zahlreiche Bau- und Sozialprojekte finanzieren konnte und bis heute von der Stiftung profitiert.
Seit den 90er-Jahren erfolgte eine von vielen Rückschlägen begleitete Wiederaufnahme des Luftschiffbaues in Friedrichshafen. Die Einsatzmöglichkeiten sind bescheiden, aber es gibt wieder eine Personenschifffahrt v.a. im Bodenseeraum. Der Betrieb solcher moderner und relativ sicherer Schiffe kann annähernd rentabel sein, die Produktion aber bei weitem nicht. Auch auf Grund der Entwicklung von Großflugzeugen wird der "Zeppelin" ein Nischenprodukt bleiben.

Museumsfoyer (Foto: GF 2016)
Bereits 1913 hatte das Bodenseemuseum in Friedrichshafen einen Zeppelin-Raum erhalten. In den 20er-Jahren wurde daraus ein städtisches Museum. Nach dem Krieg wurde die Zeppelinsammlung nach Frankreich gebracht und in den 60er-Jahren zurückerstattet und kam im 1956 wiedereröffneten Bodenseemuseum unter. Heute ist das gesamte Museum im von der DB aufgelassenen und unmittelbar am Bodensee gelegenen Bahnhof untergebracht (seit 1996), trägt den Namen "Zeppelinmuseum" und hat etwa 250.000 Besucher im Jahr.
Der 1933 entstandene Bau bietet einen architektonisch interessanten, sehr sachlichen Rahmen für die beiden Schwerpunkte des Museums: Entwicklung und Technik des Zeppelins einerseits und Kunst andrerseits.

Rumpfteil der "Hindenburg" in Originalgröße und begehbar (Foto: GF)
Um die Rekonstruktion eines Rumpfteils der Hindenburg gruppiert sich die Geschichte und Katastrophe dieses besonderen Luftschiffes, eine genau Dokumentation mit weiteren Nachbauten von Räumen und wie Reliquien ausgebreiteten "letzten Dingen" der Hindenburg, ihrer Besatzung und ihrer Gäste. Die Katastrophe selbst, das Schicksal von Passagieren und Fahrgästen, die nachfolgende Untersuchung zum Unglück, die mediale Resonanz, das alles wird akribisch geschildert.
Ein weiterer großer Ausstellungsteil, übersichtlich in Vitrinen gegliedert, gilt der Entwicklung des Ballon- und Starrluftschiffbaues mit einer Unzahl von Objekten. Texte und Objekte vermittelten auch mir als Laien eine gut nachvollziehbare Entwicklungsgeschichte dieser speziellen Form der Luftfahrt mit ihren technischen und kulturellen Implikationen.
Anfänge der Ballon- und Starrluftschifffahrt

Saal mit der geschichtlichen Entwicklung der Zeppelin-Luftfahrt
In weiteren Flügeln des verzweigten Baues findet man technische Informationen und vor allem dann Informationen zum kultur- und stadtgeschichtlichen Kontext. Mit bescheidenen Mitteln aber eindrucksvoll wird die eigentliche, wenige Jahre nach dem Hindenburg-Brand eintretende zweite, größere und folgenreichere Katastrophe visualisiert: die verheerende Bombardierung Friedrichhafens, das durch die Zeppelin-Produktionsstätten zum wichtigen Industriestandort und damit zum Ziel alliierter Bombardements geworden war.

Fotos des bombardierten Friedrichshafen
Hier erweist sich das Museum als besonders eindrucksvoll, weil sein Narrativ nicht als lineare Fortschritts- und Erfolgsgeschichte erzählt wird, sondern die Geschichte von Erfindung und Erfinder, und triumphalistisch auftretender Technik - die letzten Zeppeline hatten gigantische Ausmaße - und Prosperität der Stadt jäh gebrochen wird in den Fotografien und Zeugnissen der Verheerung und Verwüstung.
Eine ähnliche kritische "Pointe", die die Entfesselung des militärisch-industriellen Komplexes derart beredt implodieren läßt, habe ich bisher nur in der (so nicht mehr existierenden) Dauerausstellung des Stadtmuseums Rüsselsheim gesehen. Dieser Abschnitt der Ausstellung zum Kriegsende in Friedrichshafen verhindert, daß man die Geschichte des Zeppelins als konsequente Erfindungs- und Erfolgsgeschichte lesen kann.

Die Kunstsammlung
Die Kunstabteilung des Zeppelinmuseums gilt als bemerkenswert, weil dort in Ausstellungen versucht wird, die beiden Sammlungsbestände thematisch zusammenzuführen. Leider war eine einschlägige Ausstellung gerade in Vorbereitung also unzugänglich. Und an der Dauerausstellung überraschte mich eher nur der Otto-Dix-Sammlungsschwerpunkt, weniger die sehr heterogene Sammlung in nicht besonders ansprechenden Räumen.

Sonntag, 19. Juni 2016

Wie es gewesen ist (Figurinen 23)

"Rosa Parks". National Civil Rights Museum. Memphis, USA (Vg. auch folgenden Post "Bus, in dem Rosa Parks gesessen ist")
Rosa Parks wohnte in Montgomery, wo es eine scharfe Rasentrennungspolitik gab. So gab es z. B. Schulen, Parkbänke oder Aufzüge „Whites only“ und „Coloreds only“. Die Busse waren ebenfalls getrennt, allerdings nicht vollständig. Es waren vorne vier Reihen für Weiße reserviert, die oft leer blieben, aber von den afroamerikanischen Passagieren nicht benutzt werden durften. Der hintere Teil, der für sie reserviert war, war meist überfüllt. Außerdem gab es einen mittleren Abschnitt, den schwarze Personen benutzen durften, allerdings war eine komplette Reihe zu räumen, sobald auch nur ein weißer Passagier in dieser Reihe sitzen wollte - um die Trennung aufrechtzuerhalten.
Am 1. Dezember 1955 trat genau dieser Fall ein. Ein weißer Fahrgast verlangte die Räumung der reservierten Sitzreihe, in der sich Parks befand. Die übrigen Personen machten den Platz frei, doch die damals 42-Jährige weigerte sich, da sie nicht die übrige Fahrt hindurch stehen wollte. Der Busfahrer James Blake rief daraufhin die Polizei und bestand auf ihrer Verhaftung. So wurde Parks wegen Störung der öffentlichen Ruhe verhaftet, angeklagt und zu einer Strafe von 10 Dollar und 4 Dollar Gerichtskosten verurteilt.
Teilweise als Antwort auf ihre Verhaftung organisierte Martin Luther King, zu diesem Zeitpunkt ein relativ unbekannter Baptistenprediger, mit seiner Montgomery Improvement Association den Montgomery Bus Boycott, der später die Behörden dazu zwang, die Rassentrennung innerhalb von Bussen und Zügen aufzuheben, und der als Auslöser vieler anderer Proteste der Bürgerrechtsbewegung in Amerika gilt.
Das National Civil Rights Museum ist in dem Hotel eingerichtet worden, auf dessen Balkon Martin Luther King erschossen wurde.

Samstag, 25. Juni 2011

Frage, noch eine

Sollen sich Museen aus der Zeitgeschichte raushalten?
Blöde Frage?
Warum tun es dann so viele, warum liegen so viele Themen unaufgegriffen auf der Straße?
Die Schriftstellerin Herta Müller hat in einem offenen Brief die Gründung eines Museum des Exils gefordert.
Begründung?
Es soll einem (von der Deutschen Regierung geplanten) künftigen Museum der Vertreibungen an die Seite gestellt werden. Denn das Exil war Vertreibung.
Müller: "Heutzutage gibt es viele unterschiedliche Zweige der Exilforschung, aber es gibt kein Zentrum, in dem sich anschaulich die heterogenen Erfahrungen des Exils als Teil der deutschen Geschichte zeigen lassen."
Und das Deutsche Historische Museum?
Oder...?
Also, soll es so etwas geben?
Und warum eigentlich ein Museum (und nicht ein Dokumentationszentrum, ein Archiv, eine Forschungsstätte usw.)?
Also noch so eine Frage...