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Donnerstag, 9. November 2023

Bührle und kein Ende

Das Kunsthaus in Zürich hat mit der Übernahme und Präsentation der Sammlung Bührle kein Glück. Die neue Direktorin hat eine überarbeitete Präsentation vorgestellt, aber der gesamte Beirat ist aus Protest zurückgetreten und die Pressekommentare sind wenig gnädig.

Hier ein Bericht aus der taz dazu: https://taz.de/Streit-um-Schweizer-Kunstsammlung-Buehrle/!5970734/


Samstag, 24. Juni 2023

Die überschaubaren Folgen der Bührle-Debatte für das Kunsthaus in Zürich

Die Debatten um die Sammlung des Waffenhändlers Bührle, die im Neubau des Zürchcher Kunsthauses sozusagen in Gold gewickelt präsentiert wird, hat nun doch Konsequenzen. Die neue Leiterin, erst einige Monate im Amt, leitet eine Wende in der Restitutionsrecherche ein und läßt erst einmal auf die bislang von der Bührle-Stiftung gepflegte Unterscheidung von Fluchtkunst und Raubkunst verzichten. Noch wichtiger ist die angekündigte Neuaufstellung, bei der ein historischer Kontext der Werke und des Schicksal ehemaliger Eigentümerinnen einbezogen werden.

Indes hat die Direktorin eine ungewöhnliche schwache Position gegenüber der Trägerschaft des Kunsthauses, der Stadt und dem Kanton. Und „Polyphonie und Dialog“ als Motto der Neuaufstellungen klingen nun auch nicht grade scharfkantig.

Offen bleibt die Grundfrage: warum die Kulturpolitik von Stadt, Kanton und Land derart massiv auf das „Erbe“ eines nach allem was man wissen kann äußerst skrupellosen Geschäftsmannes setzt.


 

Samstag, 4. Februar 2023

Roswitha Muttenthaler zu Methode und Praxis der Ausstellungskritik

Roswitha Muttenthaler,. Lange Jahre Kuratorin am Technischen Museum Wien, hat sich intensiv mit Ausstellungskritik beschäftigt.

Nun gibt es zwei Texte von ihr, einen zur theoretischen Grundlegung und einen, wo sie ihre Analysemethode an einem Beispiel vorstellt - dem Themenbereich "Migration" der früheren Dauerausstellung des Schweizer Landesmuseum Zürich

Semantische Ausstellungsanalyse des Themenbereichs „Migration“ im Schweizer Landesmuseum Zürich 2016

https://museumdenken.webflow.io/post/aussetllungsanalyse-des-themenbereichs-migration-im-schweizer-landesmuseum-zurich-2016-vor

Methode und Zweck von Ausstellungsanalyse und Zweck

https://museumdenken.webflow.io/post/methode-und-zweck-von-ausstellungsanalyse-und-kritik

Roswitha Muttenthaler wird auch Referentin und Moderatorin der kommenden Veranstaltung von museumdenken sein, die in Stuttgart vom 17. bis 19.März 2023 zum Thema Ausstellungsanalyse stattfinden wird. Hier das Programm und die Möglichkeit zur Anmeldung:

https://museumdenken.webflow.io/aktuelles 

Sonntag, 20. November 2022

Protest gegen Kunst. Irma Frei in der Sammlung Bührle

 

Im Zuge einer "Reinigungsaktion" des Regisseurs Milo Rau im Kunsthaus Zü+rich, das die Bührle-Sammlung beherbergt, hat Irma Frei einen Stein durch die Sammlung des Waffenproduzenten getragen.  Vor etwa 60 Jahren hat die Vormundschaftsbehörde Frei von ihrer geschiedenen Mutter getrennt, erst in eine Familie, dann in ein Heim gesteckt, von wo aus sie in einer Fabrik von Egon G. Bührle arbeiten musste, ohne je eine Lohnabrechnung gesehen zu haben - eine Art Zwangsarbeit, in der Schweiz, lange nach dem Krieg. 

Dienstag, 4. Januar 2022

Das Kunsthaus in Zürich im Sperrfeuer der Kritik

 Im Dezember hat das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Bührle auf die öffentliche Kritik reagiert. In einer Pressekonferenz, nach der die Heftigkeit der Debatte sich noch steigerte. Denn was dort gesagt wurde, wurde ziemlich einhellig (in den Schweizer Leitmedien) kritisiert. Der Präsidenten der Sammlung Emil Bührle Alexander Jolles äußerte sich dort nämlich so (zitiert aus der Zeitschrift Tacheles vom 17.12.2021):

«Ja, die Schweiz hat Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen, jüdische und andere, wie wir das in Europa heute überall sehen, in Zeiten des Wohlstandes und des Friedens. Aber Verfolgung, jüdische Verfolgung, staatlich orchestrierte Verfolgung gab es in der Schweiz nicht. Juden in der Schweiz in den Kriegsjahren mussten nicht um ihr Leben bangen, sie mussten nicht um ihr Eigentum, um ihr Hab und Gut bangen, es gab hier keine staatliche Verfolgung und daher ist die Situation anders und soll auch in den Einzelfällen berücksichtigt werden. Klar, wenn jemand kein anständiger Marktwert erhalten hat, klar, wenn jemand übers Ohr gehauen wurde oder unfair und unrichtig behandelt worden ist, dann muss man das heute berücksichtigen und muss es werten. Aber es ist nicht so, dass jedes Rechtsgeschäft, das ein jüdischer Emigrant in der Schweiz und in den USA und in anderen nicht besetzten Gebieten getätigt hat, dass jedes dieser Rechtsgeschäfte verdächtig ist und primär einmal als verfolgungsbedingt erzwungen betrachtet werden kann, sondern wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, es gab einen ordentlichen Handel. Millionen von Leuten haben im Krieg gelitten haben ihr Leben verloren, haben ihr Hab und Gut verloren, aber Millionen haben weitergelebt und in einem ordentlichen normalen Handel weitergelebt, in der Schweiz und anderswo. Das muss auch berücksichtigt werden.»

Tacheles war daraufhin Jolles Antisemitismus vor und die Künstlerin Miriam Cahn kündigte an, ihre Werke - immerhin an die vierzig -, aus dem Kunsthaus abzuziehen. Auch sie nimmt das Wort Antisemitismus in den Mund.

Aus der Dokumentation zu Bührle, seiner Biografie, seiner Sammlung. Foto: GF 2021

Kaum hatte sich Debatte angesichts der Feiertage abgekühlt, und konnte sich die NZZ mit der (m.M. eher nicht so interessanten Frage) nach der Person Bührles beschäftigen (also eher ausweichen), zündete der Direktor Christoph Becker des Kunsthauses den nächsten Feuerwerkskörper. Er habe sich unter anderem während der Planungen namentlich des Dokumentationsraumes zur Bührle-Sammlung mit Ronald S.Lauder beraten. Also mit dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses. Der ließ umgehend dementieren. So ein Gespräch habe es nicht gegeben. Die Pressestelle des Kunsthauses beharrte weiter auf der Sichtweise des Direktors. Der Tagesanzeiger ließ Becker daraufhin ausrichten, er möge seinen Platz der designierten Nachfolgerin möglichst sofort überlassen.

Die Zeitung fasst die jüngsten Ereignisse als "kommunikatives Desaster" zusammen. Das ist es auch, aber es ist auch ein Beharren auf historisch und ethisch unhaltbaren Positionen. Tacheles resümiert so: "Primär allerdings geht’s darum, wie eine Stadt mit einem belasteten Erbe, mit Nazi-Geschichte im öffentlichen Raum umgeht und sich dieser nicht stellt."

Dienstag, 28. Dezember 2021

Schweizer Museumspolitik für Anfänger. Das gute Land, die bösen Waffen, das viele Geld, die schöne Kunst

Eben wurde eine vom Architekten David Chipperfield geplante Erweiterung des Kunsthauses in Zürich eröffnet. Gezeigt wird dort neben anderen privaten Sammlungen und Beständen des Museums die sogenannte Sammlung Bührle. Bührle war ein "erfolgreicher" Industrieller, der es mit Waffenhandel zu großem Reichtum brachte - und mit seiner Kunstsammlung zu Ansehen. 

So würdigt man einen großen Sohn, ungeachtet des Umstandes, daß seine Geschäfte extrem fragwürdig waren (vor allem die Belieferung des Dritten Reichs), er politisch-ideologisch am äußersten rechten Rand angesiedelt war und großen persönlichen und in Hinsicht auf den öffentlichen Status des Museums fragwürdigen Einfluß auf das Kunsthaus, seine Baupolitik und die Museums- Sammlung nahm.

Die eigene Sammlung mehrte er auch aus arisierten Beständen und aus sogenanntem Fluchtgut, d.h., Objekten, die jüdischen Eigentümern abgepresst wurden im Tauch z.B. für Ausreisemöglichkeiten. Dieser Bestand an Raubgut gilt als - noch von Bührle selbst - restituiert, wobei Bührle einige Bilder zurückkaufte.


Es gab schon mal Ärger mit der Bührle-Sammlung, die als Stiftung unabhängig ist und Teile der Sammlung nun an das Kunsthaus ausgeliehen hat. Nun aber eskaliert der Zoff. Es wird bestritten, daß die Restitutionsforschung ausreichend gewesen sei, es werden Vorwürfe erhoben, daß die Stiftung historische Forschung behindert habe und es werden Fragen gestellt, warum jemandem mit der Biografie eines Bührle die auch aus Steuergeldern finanzierte Ehre eines Museumsbaues erwiesen wird.

Der Streit wird sowohl vom Kunsthaus selbst als auch von der Stiftung durchaus offensiv geführt. Die Restitutionsforschung sei abgeschlossen, es gibt keinen Grund zu Nachforschungen und wenn die Kritik anhalte, werde man sich überlegen, die Sammlung abzuziehen.

Im im Inneren von großer Geste geprägten Bau wird die Sammlung gewissermaßen übercodiert präsentiert: auf jedem, wirklich jedem Bilderrahmen, ist ein Schildchen befestigt "Sammlung Bührle". Die Texte, die man via Code abrufen kann, würdigen Bührle als umsichtig und kunsthistorisch kenntnisreich agierenden Sammler (vor allem französisch-impressionistischer Kunst, die offenbar der Goldstandard einer bestimmten Sammlerklientel ist). Erstaunlicherweise nutzt man das technische Potential überhaupt nicht für sachliche Information zu den Werken. Allerdings gibt es detaillierte Auskunft zur Provenienz, wie Kritiker bemängeln das aber lückenhaft.

Unter dem Druck der öffentlichen Debatte hat das Kunsthaus einen Informationsraum eingerichtet. Texte und Fotografien dokumentieren den Lebensweg Bühles durchaus umfangreich, allerdings wird er als humanistisch orientierter Sammler stilisiert, der verantwortungsvoll und zum Vorteil des Museums und der Stadt wie des Landes agiert habe. Bühles Motiv für den Umgang mit seiner Sammlung, nämlich dadurch Zugang zur "besseren Gesellschaft" zu erhalten, geht in gewisser Weise hier auf. Mag ein Waffengeschäft auch etwas anrüchiges sein, Lebenslauf und Kunstbeflissenheit sollen uns die Sublimierung der politisch-historischen Bedingungen erlauben.

Das scheint aber nicht ganz zu funktionieren. Die jüngste Pressekonferenz der Stiftung ließ selbst die der Stiftung und dem Museum gewogene und konservative Neue Zürcher Zeitung nach Fassung ringen und die Wochenzeitung schrieb als Reaktion unter anderem zusammenfassend: "Das grösste Kunstmuseum der neutralen Schweiz – es würde ohne Krieg und Vertreibung nicht existieren. 

Aufsehen erregten vor allem die Äußerungen des Stiftungspräsidenten und Anwalts Alexander Jolles. Die Wochenzeitung fasste das so zusammen: "In stupender Offenheit, mit geschichtsrevisionistischen und – wie auch das jüdische Wochenmagazin «Tachles» findet – antisemitischen Untertönen fegte er alle Vorwürfe bezüglich der ungeklärten Provenienzen vom Tisch. Raubkunst, Fluchtgut oder NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust: Das seien bloss von Historikern in die Welt gesetzte Begriffe. Mit juristischen Fakten hätten sie nichts zu tun. Wer als Jüdin oder Jude vor deutscher Verfolgung in die Schweiz fliehen konnte, habe hier ungestört Handel treiben, seinen Geschäften nachgehen können. Täter und Opfer, die gebe es heute nicht mehr: Denn Opfer stünden ihnen – Jolles meinte wohl das Kunsthaus und die Bührle-Stiftung – heute keine mehr gegenüber, sondern US-amerikanische Trusts oder «sehr entfernte Verwandte". 

Jetzt ist die Politik am Zug, vor allem die Stadt und der Kanton. Und man fragt sich: Wie wird sie angesichts der Zwickmühle, in der sie steckt, reagieren?

P.S.: So unterschiedlich beide Museumsprojekte sind, eines haben Zürcher Kunsthaus und Humboldt-Forum gemeinsam. Sie werden von einer Debatte eingeholt und permanent in Frage gestellt, in der etwas ganz Grundsätzliches sichtbar wird - und irgendwann auch entschieden werden muss. Soll und darf man Museen als Sublimation-Agenturen betreiben, die die gewaltförmigen Grundlagen ihrer Existenz verschleiern?

Man wird sehen.