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Freitag, 28. Oktober 2022

Ewigkeitswerkzeug

 



Wer ein Schloß als Tourist besucht oder ein Kloster als Sehenswürdigkeit, der kennt sie - diese unförmigen Pantoffel aus Filz, die beim Anziehen Anlaß zur Heiterkeit oder Verlegenheit geben. 

Der Sinn der unförmigen Fußbekleidung liegt auf der Hand. Man kann mit dem Schuhwerk, das man trägt, hineinschlüpfen und ungeniert über Parkett und Marmorboden schleifen, ohne Schmutz abzusondern.


Es gibt aber noch einen zweiten Sinn: anders als Schuhe mit harten Sohlen, beschlagenen Absätzen oder gar High Heels, nutzt der Filz der schützenden Pantoffeln die Böden weit weniger ab. Was wir als Sehenswürdigkeit, meist vorab bewundernd und wertschätzend besuchen, was als kulturelles Erbe meist unter Denkmalschutz steht, an dem jede Abnutzung eine Art von Verletzung der kulturellen Bedeutung wäre, soll ja dauerhaft Bestand haben. 


Musealisierte Immobilien und Mobilien sind mit einer merkwürdigen, unserem Verstand kaum zugänglichen Vorstellung von Ewigkeit ausgestattet. Das gilt auch für Museen, in besonderem Maße für Kunst Museen. Sie scheinen selbstverständlich immer da zu sein und auch das künftig und unbegrenzt. Niemand stellt sich die Dauer von Artefakten als zeitlich irgendwann endend dar, obwohl auch sie beschädigt werden oder zugrundegehen können. Etwa durch die begrenzte Haltbarkeit des Materials oder wegen verschiedener Umwelteinflüsse.


So gesehen sind die Filzpantoffel Ewigkeitswerkzeuge, der praktische Einspruch gegen Abnutzung und Verfall, das Hilfsmittel der scheinbar grenzenlosen Dauerhaftigkeit des kulturellen Erbes.





Sonntag, 25. August 2019

Huldigung (Texte im Museum 922)

Dieser Text steht für viele aus Kunstmuseen. Es ist ein als Verpflichtung zur Würdigung angelegter Text, der von uns, ehe wir uns ein Urteil selbst an Hand der ausgestellten Werke haben bilden können, zu Anerkennung, Würdigung anmahnt. Solche Texte beginnen meistens mit einer apodiktischen Platzierung der Künstlerin/des Künstlers möglichst hoch oben on der Hierarchie des Kunstkanons. "August Walla ist einer der bedeutendsten Künstler des 20.Jahrhunderts" las ich unlängst in der Art Brut-Galerie in Klosterneuburg Gugging.

Hier ist es "eine der renommiertesten Künstlerinnen der Gegenwart". Sie hat sich mit vielem ("facettenreiches Werk") beschäftigt, darunter mit Themen, die man sich anspruchsvoller kaum vorstellen kann, "Tod, Verwundung, Heilung, Sexualität, ...Mensch und Umwelt...Identität...Mythologie...religiöse Vorstellungen", kurzum "die conditio humana. Dabei gilt es, die Künstlerin/den Künstler möglichst als innovativ, mutig, tabubrechend, grenzüberschreitend usf. zu stilisieren. "Ohne Scheu vor Tabus, Peinlichkeit und Grenzen der Scham..." heißt das hier. überdurchschnittliches Engagement muß nicht nur innerhalb der künstlerischen Arbeit ausgewiesen werden, es kann, wenn man eine entsprechende Resonanz durchs Publikum erwartet werden kann (das kommt ganz aufs Museum an), auch politisches oder soziales Engagement zum Vorteil gereichen, hier etwa die Auseinandersetzung "unter dem Eindruck des brisanten wandels der politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen", inklusive der Erwähnung nicht einfach von "HIV/AIDS", sondern des "Diskurses" darüber - damit d a s Schlüsselwort des kuratorischen New-Speaks auch noch platziert werden kann.

Meist versichert man uns, daß die Betreffenden das ideal ungebrochener personaler Identität aufrecht erhalten hätten, meistens in der Wendung sich treu geblieben zu sein. Wobei auch das Gegenteil, nicht selten direkt nebeneinander, auch eine Auszeichnung darstellt, nämlich einen Bruch vollzogen zu haben, also ein lebensgeschichtliches Risiko eingegangen zu sein. Für Kiki Smith muß hier genügen eine "faszinierende Entwicklung der künstlerischen Praxis. Als Zugabe wird nun auch noch aufgezählt, in wie vielen Medien die Artistin zu Hause ist, "Skulpturen, Radierungen, Bücher, Video, Gips, Bronze, Glas, Bienenwachs, Stoff...usw. usw.

In einem kurzen Werbetext für Facebook weiß Belvedere 21 (die Texte sind besonders ergiebig fpür meine "Studien": "Bonvicini arbeitet medienübergreifend mit Installation, Skulptur, Zeichnung, Video und Fotografie. In ihrer künstlerischen Praxis gilt sie als direkt, schonungslos und politisch."

Es sind Werbe-, Marketingtexte. Es geht kaum um Information, die uns hilft, das Werk und einzelne Werke in der Ausstellung besser zu verstehen oder, wie das mit einem Lieblingswort des deutschen Nachrichtenfernsehens heißt, "einzuordnen". Solche Texte tendieren dazu, uns von eigner wahrnehmung abzuschneiden (selbstverständlich kann man sie ignorieren). Wichtig ist den Verfassern solocher Texte über die Würdigungsverpflichtung hinaus die Institution ins rechte Licht zu rücken - als den Ort, der uns den Genuß der Begegnung mit einem außergewöhnlichen Künstler/einer außergewöhnlichen Künstlerin verschafft. Zu guter letzt erfahren wir aus dem Text, daß wir uns in der "bisher größten Überblicksschau zu Kikis Smith Werk in Europa" befinden.