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Dienstag, 17. März 2020

Der Präsident des Museumsbundes fordert bessere Absicherung der prekär Beschäftigten

Wegen der klaren Aufforderung, für bessere Anstellungsverhältnisse an Museen zu sorgen, übernehme ich aus dem Newsletter des Museumsbundes den Appell von Wolfgang Muchitsch.
Liebe Museumskolleginnen und -kollegen,
wir stehen nun vor unseren verschlossenen Museumstüren und vor einer für uns alle neuen Situation.
Uns erscheint es in dieser Zeit vor allem wichtig, dass wir im Kunst- und Kulturbereich jetzt alle zusammenhalten und Solidarität beweisen. Die geschlossenen Türen treffen uns alle, aber nicht alle im gleichen Ausmaß. Für Museen sind Ausstellungen (und damit einhergehend Veranstaltungen und Vermittlungsprogramme) nur eine, wenn auch natürlich eine sehr wichtige und öffentlichkeitswirksame Säule der Museumsarbeit, aber nicht die einzige.
Wir alle haben in den letzten Jahren vieles darangesetzt, Einnahmen und Drittmittel zu steigern, doch trotzdem wird unsere Tätigkeit überwiegend durch öffentliche Mittel finanziert. 
Andere Kulturveranstalter – Theater- und Konzertveranstalter, Festivals und Kinos bspw. – sind wesentlich abhängiger von diesen Einnahmen; viele Berufsgruppen, die mit dem Museum verbunden sind – u. a. Künstlerinnen und Künstler, Veranstaltungstechniker/innen, Grafiker/innen, Gestalter/innen uvm. –, sind weniger gut abgesichert. Auch innerhalb der Museumsorganisationen gibt es Berufsgruppen, die nicht abgesichert sind: In vielen Museen sind die Kulturvermittlerinnen und -vermittler prekär über Werkverträge oder als freie Dienstnehmer/innen beschäftigt und stehen derzeit für eine noch nicht abschätzbaren Zeit ohne Einkommen da. 
In Zeiten von Krisen werden viele Probleme deutlich sichtbar. Wir sollten diese Krise daher als Chance sehen, in unseren Museen für klare Verhältnisse zu sorgen. Fixe Anstellungen für die Vermittlung sowie ein Kollektivvertrag, in dem für alle Berufsgruppen im Museum Anstellungsverhältnisse ordentlich geregelt sind, würden die vielfach herrschende Ungleichheit beseitigen helfen. Der öffentlichen Hand sollte daran gelegen sein, den Wert der Kulturarbeit auch entsprechend zu honorieren, den Museen wiederum sollte daran gelegen sein, Gerechtigkeit und Fairness herzustellen.
Wir sollten die augenblickliche (zwangs-verordnete) Gedankenpause nutzen, darüber nachzudenken, in den großen Häusern das Programm zugunsten von #fairpay zu reduzieren; in den Regionen wiederum wird sichtbar werden, wie wesentlich die oftmals ehrenamtliche betriebenen Heimat- und Regionalmuseen als Kulturträger sind. Es wird eine Gedankenaufgabe für die Kulturpolitik sein, wie diese wichtige Museumsszene in Zukunft besser unterstützt werden kann.
Achten Sie auf Ihre Gesundheit! Wir freuen uns schon jetzt mit Ihnen, wenn wir alle die Türen unserer Museen wieder öffnen können.
Ihr
Wolfgang Muchitsch

Freitag, 21. Dezember 2018

Schutz des Urheberrechts oder Einschränkung der Öffentlichkeit des Museums? Das Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum und der Österreichische Museumsbund sägen am eigenen Ast

Das Reiss-Engelhorn,Museum Museum hat gegen die Wikipädia-Stiftung prozessiert, weil sie ein an sich rechtefreies Richard-Wagner-Porträt aus dem Museum abgebildet hatte. Gestützt hat sich das Museum auf das in der Hausordnung verankerte Fotografierverbot und das Urheberrecht eigener Fotografien. 

Das hat paradoxe Konsequenzen: Bilder, die gemeinfrei wären, weil der Urheber seit 70 oder mehr Jahren tot ist, verlieren die Gemeinfreiheit, weil das fotografische Abbild, das das Museum selbst - etwa für einen Katalog - angefertigt hat, selbst keine Gemeinfreiheit hat und das auf 50 Jahre. Da auch das Fotografieren - eines an sich gemeinfreien Werkes - verboten wird, gibt es keine gemeinfreien Museums-Bilder mehr

Dieser Sicht der Dinge hat sich nun der Deutsche Bundesgerichtshof im Fall des Reiss-Engelhorn-Museum versus Wikimedia-Stiftung angeschlossen. Eine Entscheidung, die überwiegend als katastrophale urheberrechtliche Entscheidung eingeschätzt wird. 

Denn: "Wenn ein Museum die von ihm selbst erstellten Digitalisate mit Verweis auf Lichtbildrechte rechtlich unter Verschluss hält und zusätzlich auch von seinem Hausrecht Gebrauch macht und keine Fotografien durch Besucherinnen und Besucher zulässt, gibt es keinen Weg, unser aller kulturelles Erbe so frei zugänglich zu machen, wie es die Gemeinfreiheit dieser Werke rechtlich eigentlich vorsieht." (Blog der Wikimedia-Stiftung)

Praktisch betrifft der Richterspruch vor allem die digitale Verbreitung. Er trifft aber auch eine Grundlage des Museums - dessen Öffentlichkeit als steuerfinanzierter, also von der Allgemeinheit erhaltener Institution, deren eine Grundlage der daraus resultierende Gemeinbesitz der Museumsobjekte selbst ist. Das Paradoxe der Entscheidung des OGH geht also übers Urheberrecht hinaus. Er trifft, initiiert vom Museum selbst, als Kollateralschaden die Öffentlichkeit des Museums selbst, also auch seinen umfassenden Bildungsanspruch und das Recht auf umfassende und uneingeschränkte freie Zugänglichkeit.

Was immer man von der Digitalisierung von Museumsobjekten (zu welchem Zweck auch immer) halten mag: das Mannheimer Museum stemmt sich gegen eine breite Entwicklung des - auch technisch einfach geworden Fotografierens in Museen und Ausstellung und das mit einem - vermutlich einzigem - Motiv, die entgeltliche Verwertung selbst in der Hand zu behalten. Aber auch das ist eine grundsätzlicher Regelverstoß bei einer Institution deren Sinn gerade darin liegt eben keiner wirtschaftlichen Verwertung unterworfen zu sein.

Sowohl in der Konkurrenz der Museen untereinander als auch in der Außenwahrnehmung der Museen als - etwa für den Tourismus - wirtschaftlich relevant, scheint die "Rentabilität" des Museums zunehmend zum Thema zu werden. Erst kürzlich hat der österreichische Museumsbund eine Studie vorgestellt, die von ihm selbst und dann in der medialen Rezeption vor allem als Nachweis diente, daß Museen "sich rechnen".

Der Versuch, die Legitimität von Museen dadurch zu stärken, daß man ihre Wirtschaftlichkeit nachweist, wird dazu führen, daß man kulturpolitisch in Zukunft Museen vermehrt auch danach bemißt. Und das kann bei einer Institution, die traditionell in der wohlfahrtstaatlichen Idee der uneingeschränkt zugänglicher Bildung verankert ist, nur schief gehen. Die allermeisten Museen sind nun mal nicht wirtschaftlich "rentabel". Und sollen das auch gar nicht sein. Und eigentlich sollten Museen und der sie vertetende Museumsbund, genau diesen unikalen und wichtigen Status des Museums mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Was das Mannheimer Museum macht und was der österreichische Museumsbund lanciert gehört zu einer Entwicklung, die man unter der Schlagzeile "Das Museum - eine erfolgreich aufgegebene Institution" zusammenfassen kann.

Sonntag, 22. Oktober 2017

Museumsgütesiegel. Die ausgezeichneten Museen Österreichs

Auf der Webseite des Museumsbundes liest man:
"In Österreich ist der Begriff Museum rechtlich nicht geschützt und an keinerlei Auflagen gebunden. (...) Der Museumsbund Österreich hat gemeinsam mit allen mit Museumsangelegenheiten befassten regionalen Einrichtungen in den Bundesländern die Museumsregistrierung entwickelt, um Museen (...) von anderen kulturellen, museumsähnlichen Institutionen und Einrichtungen zu unterscheiden."
Der Museumsbund listet derzeit 743 Museen auf, die registriert sind und seinem Selbstverständnis nach tatsächlich Museen sind.
Gleichzeit zeichnen der Museumsbund und ICOM Österreich alljährlich besondere Museen aus, am Österreichischen Museumstag 2017 kamen eben sechs neue hinzu.
Insgesamt gibt es 254 mit dem Gütesiegel ausgezeichnete Museen. Das sind mehr als ein Drittel aller (registrierten) Museen.
Auch das Heeresgeschichtliche Museum hat ein Gütesiegel.
Das Kaiserjägermuseum hat ein Gütesiegel.
Das Museum auf der Schattenburg in Feldkirch hat eins.
Um nur die allerbesten zu erwähnen.
Österreich muß ein Museumswunderland sein.
Da das Gutesiegel seit Anfang 2000 verliehen wird, dürften um 2060 alle österreichischen Museen bestätigtermaßen qulitätvoll sein.
Wie das geht? Indem man verschieden, umfangreiche Formblätter ausfüllen läßt und eine Frage ausläßt: Worin besteht die "Güte" der Museen? Worin besteht - in der Innensicht, in der Beurteilung von außen, deren Qualität?

P.S.:
Kein Museum nach Richtlinien. Aber meinem (und nicht nur meinem) Urteil nach, eine der besten historischen Ausstellungen Österreichs: Das Franz Michael Felder Museum im Vorarlberger Schoppernau. (Foto G.F.)
Kein Museum meiner (und vieler andrer auch) Meinung nach, sondern ein politisch-ideologisch fragwürdiger, museologisch unakzeptabel veralteter , von militarismus, Opferbereitschaft und heroischer Männlichkeit geprägter Ort. der besser heute als morgen geschlossen gehörte, aber der Einschätzung von ICOM Österreich und Museumsbund überdurchschnittliche Qualität hat: das Kaiserjägermuseum am Berrgisel. (Foto: G.F.)

Dienstag, 14. Oktober 2014

Der österreichische Museumspreis wird sich selbst auffressen

Per Sondernewsletter informiert ICOM Österreich über die stolzen Empfänger des Österreichischen Musuemspreises. Hier die Liste der vierundzwanzig Museen. Angesichts der Gesamtzahl an österreichischen Museen ist die Zahl der jährlichen Preisträger sehr hoch. Je länger der Preis vergeben wird, desto mehr veliert er an Unterscheidungskraft, das heißt auch an Auszeichnung. Sicher, er wird auf Zeit vergeben, andrerseits kann er auch verlängert werden.

Allerdings freut sich jeder, wenn er ein "Zeugnis" bekommt und in seinem Museum eine Plakette anbringen darf. Die Kriterien, die der Preiszuerkennung zugrundeliegen, ist umfangreich aber überwiegend formal. Sie betreffen die Organisation, kaum die Qualität, Ziele und Strategien der Museen. Offenbar kann er auch glaich im Bündel vergeben werden, oder sind alle "Filialen", die das Wien Museum oder das Universalmuseum Joanneum betreiben, alle (gleich) gut? Güte kommt in dem Fall leider nur von gut. Ein Preis, sollte der nicht ehr ausgezeichnete Museen fördern, also wirklich herausragende, innovative, originelle, experimentelle Museen?

Und über ein Museum, das den Preis bekommen hat, werde ich demnächst noch etwasausführlicher schreiben.

Archäologisches Pilgermuseum Globasnitz, www.museum-globasnitz.at
Ars Electronica Center. Museum of the Future, Linz, www.aec.at
Botanischer Garten der Karl Franzens Universität Graz, www.uni-graz.at/garten
Die Heilerin vom Gurgltal, Tarrenz, www.knappenwelt.at
Evangelisches Museum Murau, www.museum.evang.st
Heimathaus-Stadtmuseum Perg, www.pergmuseum.at
Heimatmuseum Achental, Achenkirch, www.sixenhof.at
Liszt-Haus Raiding, www.liszt-haus.at
Marmormuseum Adnet, www.marmormuseum.adnet.at
Montafoner Museen mit den Standorten Montafoner Tourismusmuseum Gaschurn, Museum Frühmesshaus Bartholomäberg, Montafoner Heimatmuseum Schruns, Montafoner Bergbaumuseum Silbertal, www.stand-montafon.at
Museum der Völker, Schwaz, www.museumdervoelker.com
Museum in der Schule, Taufkirchen an der Pram, www.museumtaufkirchen.wordpress.com
Österreichisches Freimaurer-Museum Rosenau, www.freimaurermuseum.at
Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum, Längenfeld, www.oetztal-museum.at
Residenzgalerie Salzburg, www.residenzgalerie.at
Schloss Esterházy, Eisenstadt, www.esterhazy.at
Stadtmuseum Eisenerz, www.eisenerz.at
Universalmuseum Joanneum mit seinen Standorten Landeszeughaus, Museum im Palais, Münzkabinett, Schloss Eggenberg, Schloss Stainz, www.museum-joanneum.at
vorarlberg museum, Bregenz, www.vorarlbergmuseum.at
Webereimuseum, Haslach an der Mühl, www.textiles-zentrum-haslach.at
Wien Museum mit seinen Standorten Beethoven Pasqualatihaus, Beethoven Wohnung Heiligenstadt, Haydnhaus, Hermesvilla, Johann Strauß Wohnung, Otto Wagner Hofpavillon Hietzing, Otto Wagner Pavillon Karlsplatz, Pratermuseum, Römermuseum, Schubert Geburtshaus, Schubert Sterbewohnung, Uhrenmuseum, www.wienmuseum.at
ZOOM Kindermuseum, www.kindermuseum.at

Sonntag, 5. Oktober 2014

Im "Neuen Museum" läßt der Museumsbund Österreich über die Zukunft der Museen nachdenken

Die Zeitschrift des Museumsbundes Österreich „neues museum“ hat sich unter neuer Leitung des Verbandes und neuer Redaktion zum Besseren entwickelt. Es gibt klarere Schwerpunktsetzungen, eine klarere Gliederung des Hefts, mehr Essays zu Grundsatzfragen und ein übersichtlicheres Layout. Zum 25-jährigen Jubiläum des Verbandes leistet man sich einen Schwerpunkt „Das Museum in 25 Jahren“ mit sechs Essays.

Angela Janelli, Kuratorin am Historischen Museum Frankfurt wünscht sich eine Zukunft mit mehr „wilden Museen“.  Damit sind (in Anlehnung an Levi Strauss’ Terminus vom wilden Denken) Museen gemeint, die vielfältig sind, deren „Design gesprengt“ wird, „so wie Löwenzahn den Aspahlt“ sprengt, die eher Produktionsorte denn Schauhäuser sind, die daher viele Formen der Beteiligung ihres Publikums kennen dessen Erfahrungen und Geschichten gleichwertig neben dem kuratorischen  Wissen steht. Kurzum, wilde Museen sind solche, wo mehrere Formen von Wissen nebeneinander stehen, in friedlicher Koexistenz. Die wilden Museen grenzen sich von den domestizierten ab (die sie vielleicht ablösen werden?). Dies sind die „schönen, solide recherchierten“, die mit Shop und Café, die, die sich weltweit gleichen, „gleich schön, gleich angenehm, gleich vorhersehbar“.

Janellis Zukunftstraum, der mir rundum symphatisch ist, weil ich das Riskante und Experimentelle am Museum sehr vermisse, hat viele Zugeständnisse an alte Museumsvorstellungen und manchen Kompromiss im Repertoire, während Daniel Tyradellis Traum noch wilder gerät und er aus diesem dementsprechend „schweißgebadet“ aufwacht. Kein Wunder, gleich zu Beginn werden die Vertreter des alten Museums pensioniert oder entlassen um einem Museum Platz zu machen, das „Menschen zum Denken anregt oder gar nötigt“.  Im wilden Träumen wird bei Tyradellis (Kurator, Philosoph) mit der Dingfixierung, Begriffen wie Aura und Echtheit, den kanonischen Hierachisierungen, der „betäubenden“ Szenografie und vielem anderen abgerechnet um sich dem „Hauptinhalt jedes Museums“ zuwenden zu können, „den Beziehungen“, den Dinge in einem experimentellen Denken im Raum herstellen können, untereinander und mit den Besuchern.

Heftige Kritik an liebgewonnenen und unhinterfragten Topoi der Museumspraxis und der Museologie gibt es auch im Beitrag von Markus Walz (Museologe), der als Stanislav Lem der Museologie erfolgreich eine Science Fiction Story aus diversen zeitgenössischen und zeitgeistigen Trends extrapoliert. Der Witz dieser Zukunftsvision ist der, daß sie wie eine hochrealistische Beschreibung der Zukunft des Museums daherkommt, bei dem einem gleichzeitig das Grausen und das Lachen kommen kann. Die Zuspitzung der ökonomischen Rationalisierung, die organisatorische Effizienz, die Verfeinerung und Extensivierung des Quotenwahns, die exzessive Privatisierung - die chinesische IBC Bank übernimmt Guggenheim - und vieles andere mehr werden so glaubhaft geschildert, wie es sich für gute Science Fiction gehört.  Und in guter Tradition utopischer Literatur ist sie eine Form, in der Kritik am Alten geleistet werden kann, hier an manchen Heiligen Kühen der Museologie.

Ganz und gar auf dem Boden der sogenannten Tatsachen steht der ehemalige Direktor der Museums Association des United Kingdom, Mark Taylor. Zukunft ist hier konkret, geplant, vom englischen Museumsbund vorauschauend bewirtschaftet und gebündelt in einem Projekt Museums Change Lives. Ganz im Ernst!? Das Museum verändert das Leben. Aller?!
So etwas lese ich völlig gespalten. Einmal mit Bewunderung für die gedankliche und logistische Rationalität, mit der der große und einflussreiche Verband so etwas vorbereitet, lanciert und, daran besteht kein Zweifel, umsetzen wird. Programmatisches, zielorientiertes Handeln ist etwas, was ich von den deutschsprachigen Verbänden so sicher nicht kenne. Aber.
Ich lese es nicht nur mit gewisser Bewunderung, sondern zugleich mit Staunen und einiger Bestürzung, wenn etwa an manchen Stellen die nackte Sozialtechnologie und kulturelle Hegemonisierung blank liegt: Museums „can help disaffected people and those from marginalised sections of the community gain a sense of citizenship and belonging to society and broaden horizons, which can otherwise seem narrow and uninviting.“

Solche tief in die Lebenswelt eingreifenden Museumsphantasien hat in England seit dem Beginn des 19.Jahrhunderts Tradition, vor allem als „Erziehung der Arbeiterklasse“. Jetzt scheint das als eine Reaktion auf postmoderne Ohnmacht gegenüber den ökonomischen und politischen Verhältnissen wiederzukehren. Als "classism", als paternalistisches Kalmierungsprogramm, als eine Strategie, Identifikation mit dem Staat vermeintlich gewaltfrei herstellen zu können - ausgerechnet übers Museum und nicht über Politik und demokratische Teilhabe.

Ich habe zu dem „Jubiläumsheft“ eine skeptische Einschätzung beigetragen, daß aus dem Museum selbst Einsicht, Kritik und Revision der eingeschliffenen Praktiken kommen könnte. Sie stellen der Tendenz zu Ökonomisierung und Privatisierung entgegen, was man Öl ins Feuer gießen nennen könnte. Stattdessen: Marketing, Eventisierung, Instrumentalisierung des Publikums statt Beteiligung oder gar, Gott behüte, Demokratisierung der Organisation.

Ich denke wirklich nicht, daß sich am hegemonialen, patrimonialen Zuschnitt des Museums etwas ändern wird. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß sich die Museen überhaupt nur annähernd der gesellschaftspolitischen Probleme bewußt sind und bewußt sein wollen, die auch zu ihren Rahmenbedingungen gehören.

Meine eigene Utopie geht diametral in die Gegenrichtung dieses Mainstreams. Statt der konsensuellen Abfeier der kanonisierten Kulturgüter sollte eine Radikalisierung der diskursiven Öffentlichkeit im Museum treten. Das nenne ich „agonistisches Museum“.  Das Museum gedacht als einen Ort der zivilen, respektvollen Austragung eines Streits der Interessen, die in diesem Modell nicht verschleiert, geleugnet oder ideologisch weggezaubert würden. Mein Traum ist das Museum als zivilgesellschaftlicher Raum, wo ein Diskurs im Rückgriff auf Objekte als Medien ästhetischer und historischer Erfahrung in einem kollektiven Erfahrungsprozess ihren Platz haben. Wie gesagt: ein Traum. Nicht für die nächsten 25 oder 50 Jahre, ja, das kann ich mir selber auch sagen, wie unrealistisch das ist.

Ein Beitrag fällt aus der Sammlung von Texten zur Zukunft des Museums heraus. Andrea Bina, Leiterin des Linzer Stadtmuseums, beschäftigt sich nicht mit der Zukunft der Museen. Sie stellt „ihr“ Haus vor, und das leider unter Verwendung ziemlich vieler, zu vieler guter (und abgegriffenner, verschlissenen) Vorhaben. So ein Artikel kann mich nicht mal von Graz aus nach Linz locken. Warum lernen Museumsleute nicht endlich, daß ein Publikum ganz anders angesprochen werden muß als in schülerhafter Bravheit oder, so würde es Angela Janelli sagen, „Domestiziertheit“?
Der Aufsatz gehörte in den Abschnitt „Schauplätze“ des neuen museum, der traditionellerweise der Selbstdarstellung von  Museen vorbehalten ist.

Dieser Teil der Museumszeitschrift hat mich selten interessiert. Es ist der vorhersehbarste Teil. Selbstverständlich wollen sich Museen und Museumsleiter ins Schaufenster stellen und selbstverständlich werden sie nur ihre Schokoladenseite zeigen. Aber aus diesen Beiträgen lernt man nichts. Diese „Werbeeinschaltungen“ kommen klarerweise meist ohne jede Relativierung, geschweige denn Kritik aus und spiegeln eine Schwäche beider österreichischen Museumsverbände, des Museumsbundes und ICOM. Beide sind als Interessenvertretung vom Bedürfnis der Selbstbehauptung und -darstellung ihrer Mitglieder betroffen, von einer beruflich-fachlichen Innensicht, die als Beharren, Verteidigen und Feiern des Ist-Zustands kein Potential der Veränderung bietet und auch meist scharf abgegrenzt ist nach allem was „Aussen“ ist, was "nicht zu uns" gehört und was herausfordern könnte. Eins der größten Defizite der Zeitschrift ist die Vernachläßigung der internationalen Entwicklung, des Vergleichs, der Konfrontation. Ich gebe zu, daß das den Produktions- und Redaktionsaufwand vergrößern würde. Aber warum gibt es nicht so etwas wie "Auslandskorrespondenten" oder "Gastauftritte"? Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßig über die Entwicklung von den hot spots der Museumsentwicklung berichten.

Um so erfreulicher ist, daß das neue museum schon seit eineigen Heften Luft hereinlässt ins abgeschottete Reich der Funktionärskaste, neue Themen lanciert, interessante Autoren und neue Formate sucht. So heterogen die hier kurz vorgestellten Beiträge sind, die Qualität des Schwerpunkts liegt genau darin, daß hier sehr unterschiedliche Erfahrungen und Auffassungen nebeneinander stehen. Ihren Thesen, Widersprüchen, Reibungsflächen nachzuspüren könnte ein ganzes museologisches Seminar füllen, Ausgangspunkt vieler Debatten über das Museum sein, über seinen Istzustand und seine wünschenswerte Entwicklung.

Ich wünsche mir von der Leitung des Museumsbundes, nicht nachzulassen im Fördern dieser offenen und kritischen Haltung. Nichts brauchen die Museen mehr!