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Dienstag, 27. Juli 2021

Restitutionsdebatte auf Wienerisch

Neulich im Weltmuseum ... Benin, ohne Debatte (welche Debatte denn?), ohne jede Information zur Aktualität dieser Objekte, keine Rücksichtnahme auf die Rückgabe durch die Stiftung Preussischer Kulturbesitz. Bissl Marketing mit Restitutionsobejketen, warum denn ned? Schauns halt heute ein bissl Abend vorbei, bei unserer Raubkunst. Wie es einst dort war...




Sonntag, 27. Dezember 2020

Meine Lieblingsmuseen. Die ersten elf


John Soane's Museum
London

Der "Dome" in der Darstellung desSoane-Schülers Joseph Gandy
Der heute immer noch hoachangesehene englische Architekt John Soane (1753-1837) konnte sich von seinen Einkünften aus Architekturprojekten wie der Bank of England, den Ankauf dreier nebeneinander liegender Häuser an Lincoln's Inn Fields leisten. Nach und nach erwarb er seit 1792 die Häuser und gestaltete sie im Inneren tiefgreifend um.
Hinter den schlichten Fassaden verbirgt sich ein labyrinthisches Puppenhaus, das Wohnung, Bildergalerie, Atelier, Studio und Sammlungsgebäude zugleich ist. Sonne bestimmte testamentarisch die Umwandlung in eine Museum, was 1830 auch erfolgte. Sehr zum Unwillen seines Sohnes, der, erfolglos, das Testament anfocht. Seither ist der Häuserkomplex bis auf wenige Eingriffe im Originalzustand erhalten und  - wegen der Enge der Räume jeweils in begrenztem Umfang - öffentlich zugänglich.
Einzigartig ist die Verschachtelung und visuelle Verbindung der unterschiedlichen Räume durch Schaffung raffiniert konzipierter Durchsichten, Anlegen vertikaler Räume, auch in Form von Binnenhöfen, der Verwendung von Verspiegelungen u.a. mit Vexierspiegeln, die Verwendung von mit farbigem Glas bestücktem Oberlicht in manchen Räumen und der exzessiven Ausstattung mit Kunstwerken, Fragmenten, Modellen, Spolien, Kopien.
John Sonne war nicht nur ein bedeutender Architekt und Lehrer, er muß auch den den Engländern zugeschriebenen Spleen im Übermaß besessen haben. Die diversen historisierenden und romantizistischen Räume nutzte er für uns heute verschroben wirkende Geselligkeit und die Philosophie des ganzen lief auf eine Art von Leben in einer durch Ausgrabung wieder teilweise sichtbar und nutzbar gemachte archäologische Stätte hin. So jedenfalls hat es Sonne selbst als Lesart in einer seiner Schriften erläutert.
Das hinderte ihn aber nicht daran, die Wohnräume in elegantem und behaglichem Stil einzurichten, wiewohl auch hier raffinierte Lichtsituationen, exzentrische Lösungen für gewölbte Decken, raffiniert inszenierte Durchblicke, präzise platzierte antike oder zeitgenössische Kunstwerke weit über den bloßen Wohnzweck hinausweisen.
Kernstück des komplexen Inneren ist der sogenannte "Dome", ein vertikaler, von Galerien gesäumter, durch alle Geschosse bis in den Keller reichender Raum der mit zahllosen Antiken und Fragmenten buchstäblich übersät ist. Am Grund des Schachts steht ein ägyptischen Sarkophag, den das British Museum nicht erwerben wollte. Blickfang ist eine Kopie des Apoll von Belvedere. Genau gegenüber hat der Hausherr sich selbst platziert - in Form einer antizipierenden Büste.
Für den Freimaurer Soane waren Haus und Ausstattung eine individuell identitätsverbürgende historisch-archäologische Szenerie, deren metaphorische Ruinosität eine künftige Erfahrbarkeit als archäologische Stätte und Zeugnis vergangenen Lebens evozieren sollte.
Für mich ist es ein einzigartiges Museumskuriosum mit nahezu unerschöpflicher Komplexität und mit dem Charme einer versunkenen exzentrischen englischen Lebensweise.

Musei Capitolini in der Cantrale Montemartini
Rom
























In Hinblick auf das "Heilig Jahr" 2000 wurde die Kapitolinische Antikensammlung, eine der ältesten der Welt, umfassend und beeindruckend renoviert. Im Zuge dieser Renovierung der Museen am Kapitol wurde eine Dependance in einem ehemaligen E-Werk an der Ausfallstraße nach Ostia eingerichtet. Das 1912 eröffnete erste kommunale E-Werk wurde nicht entkernt und zum white cube, sondern man beließ die energieerzeugenden riesigen Anlagen in den Hallen im Zustand eines Industriedenkmals und arrangierte an die vierhundert Antiken mit Hilfe einiger moderner Einbauten um die Anlagen herum.
Zunächst war das als Provisorium während der Renovierung des Museums am Kapitol gedacht, doch 2005 wurde die Centrale in ein dauerhaftes Museum umgewandelt. Als solches beherbergt es keineswegs Werke "zweiter Wahl", sondern ästhetisch, ikonografisch und historisch herausragende Objekte, die einen ziemlich überraschenden Dialog mit den Maschinen, Kesselanlagen und Öfen eingehen. Der historisch und ästhetisch unerwartete Rahmen schärft im Dialog mit ihrer Umgebung - klassische Archäologie trifft auf Industriearchäologie -, den Blick auf völlig ungewohnte Weise. Ich kenne kein anderes Museum, wo ein so schroffer Gegensatz erzeugt wird, allerdings auf einer ausschließlich ästhetischen Ebene.

Musée de la chasse er de la nature
Paris

Das kleine private Museum hält viele Überraschungen für den Besucher bereit. In die Rokoko-Architektur subtil eingefügte Flora und Fauna gleicht eher einer Märchenerzählung, als einem Museum. Es mangelt aber nicht an didaktischer Absicht. Mit nicht wenig Text, der aber den Zauber der Rauminstallationen nicht stört, wird eine Sichtweise auf Natur gepflegt, die ich von keinem anderen Naturmuseum kenne. 
Natur ist keine hier selbstverständliche Größe, die der menschlichen Sphäre erratisch gegenübergestellt wird. Natur ist hier ein von Menschen beeinflußte und von Menschen gesehene und interpretierte Sphäre. Natur im Museum ist immer eine vermittelte, interpretierte.
Die subtile und kluge Ästhetisieren, die das Museum kennzeichnet, ist kein Selbstzweck, sondern bricht mit einem zu naiven Blick auf das herkömmliche Naturverständnis. Das Zusammenspiel von Räumen, Möbeln und Objekten ist bezaubernd, aber es hält uns immer beim Thema - unserem Blick auf Natur die Reflexion über unser Verhältnis zu Natur hinzuzufügen. Das Museum ist ausgesprochen witzig, etwa wenn sich auf eine flüchtigen Blick als in einem Gang installierte Überwachungskamera auf den zweiten Blick als Vogelhäuschen herausstellt. Und nirgendwo wird der Besucher mit einer Serie von Animationen auf eine derart witzige und liebevolle Weise aus dem Museum verabschiedet, wie hier. "Traumhäuser der Vernunft" hat mal jemand, war es Walter Benjamin?, Museen genannt. Hier ist eins davon.

Museo civico di Castelvecchio
Verona
























Das Museum ist in einer hochmittelalterlichen Burganlage untergebracht und wurde vom Ende der 1950er-Jahre bis in die beginnenden 70er-Jahre von Carlo Scarpa in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Museumsleiter umgebaut und eingerichtet. Im Untergeshoß befinden sich Skulpturen, im oberen Geschoss eine Gemäldegalerie. 
Das Museum einschließlich des vorgelagerten gärtnerisch gestalten Hofes wurden von Scarpa bis in die kleinsten Details durchgestaltet. Fensterrahmungen, der Übergang vom Fußboden zur Mauer, die Türen, Leuchtkörper, die Gestaltung der Fußböden, die Material- und Farbwahl, Aus- und Durchblicke - alles wurde gründlichsten Überlegungen unterworfen. 
Scarpa konzipierte einen abwechslungsreichen Parcours durch die vielfältigen Raumsituationen. Höhepunkt des Rundgangs ist eine frei in den Hof ragende Reiterfigur (aus dem 14. Jahrhundert), die auf einer wie ein Origami gefalteter Betonplattform ruht und hoch über dem Erdboden frei in die Luft ragt. Vom Hof aus sieht man zu ihr empor, da ist der Reiter ein Denkmal, aber sie ist im Rundgang so integriert, daß man sie auch aus der Nähe betrachten kann, dann ist das Standbild ein museales Kunstwerk und Exponat.
Ausgeklügelt ist nicht nur die Platzierung der Werke im Raum, ausgeklügelt sind auch die Zeigemöbel, die die Gemälde tragen. Jedes der Gestelle ist eine individuelle Lösung, die einem bestimmten Bild die beste Präsentation verleihen soll.
Selbst das Verlassen des Museums ist inszeniert. Zwei nebeneinanderliegende, aber innen voneinander getrennte Türen dienen einmal dem Betreten, einmal dem Verlassen. Scarpa muß sich den Museumsbesuch wohl als Passageritus gedacht haben, als "Bildungsweg" durch streng inszenierte Kunstwerke und gesteuert mit einer ebenso strengen Blickregie.
Die Kehrseite dieses Konzepts liegt auf der Hand. Das durchkomponierte Gesamtkunstwerk kann man nur erhalten, wie es ist. Jeder Eingriff käme einer Zerstörung gleich.
Scarpa hat, was man vielleicht als Museumsbesucher gar nicht wahrnimmt, bedeutende italienische Museen gestaltet, etwa die Uffizien aber auch die Accademia in Venedig. Man kann in vielen italienischen Museen und historischen Gebäuden auf jene subtilen, zurückhaltenden Intervention treffen, mit denen moderne Interventionen in den Dialog mit historischer Bausubstanz treffen. Scarpas Ausstellungs- und Museumsdesign war dabei bahnbrechend.

Bundesbriefmuseum
Schwyz

Kann man einem einzigen historischen Schriftstück ein Museum errichten? Einen Denkmalbau für ein einziges Pergament? Man kann, wenn man glaubt, daß dieses Schriftstück die Nation symbolisiert. Mann kann, wenn man glaubt, daß dieses Schriftstück in politisch und sozial schwierigen Zeiten den Zusammenhalt der Gesellschaft stärkt. Dann baut man in Zeiten innerer sozialer Unruhen und heraufziehender äußeren Bedrohungen (Machtübernahme des Nationalsozialismus in der Schweiz) 1936 ein Museum. Als "geistige Landesverteidigung". In der Stadt Schwyz, also in einem der Urkantone, nicht in Bern oder Zürich.
Das Dokument galt zu diesem Zeitpunkt als ältestes Indiz für jene zwischen Kantonen ausgehandelte Bündniskultur, die dem politischen und wirtschaftlichen Frieden dienen sollte, und die in gewisser Weise die Schweiz bis heute prägt. Aber lange Zeit war diese erste "Bundesbrief" völlig unbekannt und als er am Beginn der Neuzeit Eingang in die frühe Geschichtsschreibung fand, war er kaum mehr als eine Quelle unter anderen. 
Im späten 19.Jahrhundert "entdeckte" man das Schriftstück als nationales Gründungsdokument und einige Jahrzehnte später zog es in "sein" Museum ein. Nach 1945 verlor es rasant an Bedeutung. Echtheit (zu unrecht) und Datierung (umstritten) wurden angezweifelt und die Bedeutung als einzigartige Gründungsurkunde wurde nicht mehr benötigt. Das Museum änderte mehrmals sein Konzept, aber der Bau, seine Innenausstattung, die Bespielung des Außenraums mit diversen Objekten, die Wegführung von Außen ins Gebäude hinein und durch es durch, lassen noch immer das patriotische, teilweise mehr mythische als historische Selbstverständnis des Landes in den Dreißiger Jahren erkennen. Und der Bundesbrief liegt, zwar flankiert von vielen ähnlichen Dokumenten, immer noch in der "Apsis" dieses "nationalen Tempels" unter einem - ziemlich viril geratenen - Rütlischwur (ein rein mythologisches Ereignis). So kann man das Museum heute vor allem als Palimpsest lesen, das über die Geschichte der Schweiz auf Umwegen über die Gestaltungsgeschichte des Museums Auskunft über die wechselnden identitären Phantasmen des Landes Auskunft gibt.  

Het Dolhuys
Haarlem

Wie kann man die Geschichte der sogenannten Geisteskrankheiten und den medizinischen Umgang mit ihr in einem Museum darstellen? Indem man sachliche aufklärende Information in eine ziemlich erfindungsreiche und kategorial Unsichtbares visuell transportierende Szenografie umsetzt. Und dabei die vielfältige Räume eines mittelalterlichen "Spitals", eines frühen "Dolhuys" nutzt.
Es war das erste Mal, daß ich eine Ausstellungsgestaltung von Kossma/deJong gesehen habe, einer niederländischen Firma, die inzwischen erfolgreich und europaweit agiert. Ihre Szenografie zeichnet sich durch hohe Originalität aus und das bis ins Detail. Nie wieder habe ich z.B. derart witzige Möbel für Videostationen gesehen, wie hier. Lösungen für die schwierige Integration von "Fernsehern/Screens" in Ausstellungen. Statt des öden Plastiks oder Metalls gab es hier aus Altmöbeln zusammengebastelte Gerätschaften. 
Unglaublich interessant waren die in einem zum Hof hin geöffneten Raum platzierten "Models", die die diversen Krankheitsbilder auch wirklich als Bilder und kaum über Texte veranschaulichten. Statt des Kopfs saß auf jeder Figur deren "Krankheitsbild", eine Obsession. Aber es war nicht nur die Gestaltung, die so überaus ansprechend war, es war der Grundton - ein Konzept, das Ängste und Tabus, die unseren Umgang mit psychischen Erkrankungen kontaminieren, aufgriff und sie geschickt, gleich vom Eingang konterkarierte. 

Biologiska Museet
Stockholm

"
Das Biologische Museum (schwedisch Biologiska Museet) liegt auf Djurgården in Stockholm und zeigt skandinavische Säugetiere und Vögel in ihrer natürlichen Umwelt. Alle Tiere sind ausgestopft." So stellt Wikipedia das Museum vor. Das wichtigste wird nicht erwähnt: daß diese ausgestopften Tiere in großen Dioramen gezeigt werden, die auf zwei Ebenen angeordnet sind. Und das in einem Bau, der von außen einer typischen regionalen Stabkirche ähnelt. Ende des 19.Jahrhunderts wurde dieses Museum gegründet und der Bau errichtet und hier zeigt man eben nicht nur schwedische Fauna, sondern die ganz Skandinaviens. Es ist sehr bewußt nicht als nationales Museum ausgelegt, sondern eines, das die Einheit der skandinavischen Länder naturräumlich visualisiert. Dioramen sind dazu natürlich weit besser geeignet, als einzelne Tiere oder kleine Gruppen ohne jedes Environment. Dioramen sind ein effektives und beliebtes Illusionsmittel, das geeignet ist, den Eindruck ganzer realer Landschaften zu erzeugen. Der Rundgang durch das Biologisk Museet wird so zum Rundgang durch Fauna und Flora Skandinaviens in signifikanten Ausschnitten und tut so, als könnte es einem weite Reisen durch den Norden Europas ersparen. 

Smithsonian Institution Building
Washington

Als der reiche Engländer James Smithson seine erhebliches Erbe vermachte, widmete er es den Vereinigten Staaten mit dem Auftrag "to found in Washington, under the name of the Smithsonian Institution, an establishment for the increase and diffusion of knowledge among men". Auf Umwegen über einen früh verstorbenen Erben gelangte das Vermögen schließlich an seinen Bestimmungsort. Der US-Kongreß grübelte ungefähr zehn Jahre, ehe er diesen Auftrag in ein Projekt umsetzte, das von Anfang an museale und wissenschaftliche Aufgaben in sich vereinte. 1847 konnte man das erste Gebäude an der National Mail errichten, ein von europäischer Gotik inspiriertes "Castle", wie das Gebäude auch genannt wird.
Heute ist das "Smithsonian" einer der größten Museumskomplexe der Welt und das "Castle" ist der Sitz der Verwaltung und das Informationszentrum des gesamten an der Wall gelegenen Museumskomplex.
Im Erdgeschoß befinden sich zwei museale Trakte. In einem wird ausführlich ud anschaulich die hochinteressant Geschichte der Smithsonian Institutionen erzählt, im anderen befindet sich eine Art Preview. Hier geben alle Museen die zum Smithsonian-Verbund gehören eine Visitenkarte ab. In jeweils einer raumhohen Vitrine werden signifikante und interessante Objekte gezeigt, Appetizer, die einem die Wahl schwer machen, welches der Museen man denn nun besuchen soll. Insgesamt bieten die dicht an dicht gereihten Vitrinen eine Atmosphäre einer Kunst- und Wunderkammer.
Ganz auffallend gepflegt und einladend ist übrigens das gärtnerische Umfeld des Bauwerks. Hier sitzt man entschieden besser, als in der wenig einladend und karg instrumentierten Cafeteria im Inneren.
Ach ja. Mister Smithson begegnet man hier auch. 1904 hat man ihn exhumiert und per Schiff in die USA gebracht. 1905 wurde er in einem Seitenraum des Eingangsbereichs in einem führ ihn gestalteten Grabmal beigesetzt. Es ist nicht das einzige Gebäude, das die aufschlussreiche Doppelfunktion von Museum und Mausoleum hat, zwei Begriffe, die, wie man bei Adorno lesen kann, nicht nur phonetisch leicht zu verwechseln sind.

Museo Gypsotheca Antonio Canova
Possagno


Possagno ist ein kleiner Ort mit nur etwas mehr als 2000 Bewohnern in der Provinz Treviso, gelegen in den Hügeln, mit denen die Alpen gegen Süden hin in die Ebene auslaufen. Hier wurde der berühmteste italienische Bildhauer des Klassizismus geboren, Antonio Canova.
Und hierher kehrte er zu Ende seines Lebens und seiner Karriere zurück, um im Garten seines bescheidenen Eltern- und Geburtshauses ein Museum zu errichten. Einen klassizistischen Tempel, in dem er Entwürfe seiner Werke ausstellte. Auch solche in originaler und monumentaler Größe aber auch kleine Skizzen in Ton oder Gips. 
Die Ästhetik diese vollkommen weißen Raums mit seine zahllosen weißen, z.T. riesigen Gipsen ist einzigartig, auch ästhetisch, zumal diese Modelle und Entwürfe Male ihres Entstehung- und Reproduktionsprozesses enthalten - winzige schwarze Löcher, die wie ein Grid über die Objekte gelegt erscheinen und das gesamte Ensemble zusätzlich verfremden.
Schriftlich erhält man Informationen zur Zuordnung der Objekte zu den großen ausgeführten und nie realisierten Projekten Canova.
Kleinere Objekte sind in einem kleinen Zubau des ingeniösen Ausstellungsarchitekten Carlo Scarpa untergebracht und im Wohnhaus ist ein Canova gewidmetes Museum untergebracht, wo man weitere kleinere Werke findet und die für Künstlermuseen typischen persönlichen Reliquien.
Doch Canova genügten Tempel und Museum nicht. Er ließ eine lange Achse mit aufsteigender Treppe quer durchs Dorf errichten, die von seinem Geburtshaus auf einen Hügel ansteigt,. Dort steht die im Inneren dem Römischen Pantheon nachempfundene klassizistische Kirche, die man durch eine Vorhalle betritt, die genau der Architektur des Parthenon folgt. Und hier liegt er begraben. Schön selbstbewußt, der Herr Canova. Man sollte nicht versäumen, auf die Kuppel zu steigen um die Aussicht zu genießen.

Staatsgalerie
Stuttgart 

Nirgendwo sonst kann man ein Museum sehen, das sich architektonisch derart selbstironisch geriert. Der Architekt James Sterling läßt Wasserspeier über den Köpfen der Flaneure kreisen, er entwirft Handläufe, die keine menschliche Hand je umfassen kann, er zertrümmert die Wand, sozusagen ruinenästhetisch, zur Tiefgarage und wenn wir das Museum über eine Rampe betreten, passieren wir einen bis aufs Skelett abgemagerten Tempel. Im Inneren sind die Räume überdeutlich durchnummeriert und verheißen so einen ewig gültigen Kanon, der in immer gleicher Ordnung gezeigt werden kann und die Türen sind wie aus dem Anker-Baukasten antikisch dekoriert. Auch farblich wird uns einiges zugemutet, rosarot trifft auf grasgrün, die Farbe, die meiner Erinnerung nach auch genoppte Kunststoffböden im Foyer haben. Alles ist aus schwerstem überdeutlich sichtbar gehaltenem Quadermauerwerk errichtet, als wären wir in einer Burg, einem Wehrbau.
Den Höhe- und Mittelpunkt des Bauwerks bildet der Hof. Das Schema des Grundrisses läßt hier eigentlich eine Rotunde erwarten, etwa wie bei Schinkels Berliner Museum, also einem mit künstlerisch herausragenden Statuen besiedelten überrkuppelten Raum, aber Sterling sprengt die Kuppel weg und macht aus dem Innenraum einen öffentlichen Platz, der auch tatsächlich öffentlich nutzbar ist. Er wird, ohne daß man das Museum betreten muß, mit einer Passage durchquert, der den Stadtraum durchs Museum hindurch erschließt.
Hier stehen bloß ein paar Sessel, keine maßstabsetzenden Antiken mehr, wie bei Schinkel. Der Bewuchs wird nach und nach vom Bau Besitz ergreifen und ihm die Anmutung einer antiken Ruine geben und wenn wir den Lift betreten, durch ein revolutionsklassizistisch gestaltetes Portal, das halb in der Erde versunken ist, haben wir die Wahl uns entweder nach oben oder nach unten zu begeben, in die Zukunft oder in die Vergangenheit...
Sterlings Zubau zur Staatsgalerie und Hans Holleins Museum am Abteiberg in Mönchengladbach markieren übrigens den Beginn einer sehr folgenreichen, oder wenn man will erfolgreichen Entwicklung: die der Bauaufgabe Museum, die Architekten als letzte nicht von Bauträgern völlig abhängige Architekturaufgabe ansehen, die Kunst sein darf und soll. Die unübersehbare Zahl seither weltweit entstandener Museumsbauten in allen nur erdenklichen Variationen und von berühmtesten Architekten geplant - hier hat sie ihren Ausgangspunkt. Und später mal muß ich zur Liste selbstverständlich Holleins Museumsbau hinzufügen.
  
Pitt-Rivers-Museum 
Oxford


























In Oxford findet man eine Reihe sehr alter und interessanter Museen. Das kurioseste ist das Pitt-Rivera-Museum. Sein Gründer war als Militär in Ländern des Commonwealth unterwegs und brachte Objekte nach England, vieles erwarb er auf Auktionen. Seine hunderttausende Objekte umfassende Sammlung wird als ethnologische und archäologische beschrieben, aber erst wenn man das Museum kennenlernt, ermißt man dessen Einzigartigkeit, von der diese Adjektive nicht wirklich eine Vorstellung geben. 
Die Sammlung hat weder eine topografische noch eine chronologische Ordnung, sondern immer noch (und wohlkonserviert) die von Pitt Rivera entwickelte. Er war an Vergleichen und Entwicklungen interessiert und so findet man in Vitrinen Objekte, die in der Luft Geräusche erzeugen, oder Objekte, die dazu benutzt wurden, um den Regen von sich abzuhalten oder Dinge, mit denen man das Vieh des Nachbarn verhexen konnte.
Das Museum ist in einer einzigen riesigen Halle mit Emporen untergebracht und man könnte hier Tage zubringen, um zu stöbern und die mit winziger Schrift verfassten Zettel lesen, die noch von Rivers und den ersten Mitarbeitern des Museums stammen.
Das Museum geht sorgfältig mit der historischen Substanz um - es ist ein Museum im Museum oder als Museum -, das ab und an nur sehr vorsichtig um neuere Objekte und Informationen erweitert wird. Und es ist kein totes Museum, an dem man nur aus museumsgeschichtlicher Perspektive interessiert sein kann. Seine Sammlung dienst bis heute der Forschung.










Dienstag, 9. Juli 2019

Über die angebliche Überlegenheit westlicher ethnologischer Museen über die fehlenden Standards afrikanischer Museen

Zu den am häufigsten vorgebrachten Vorbehalten gegenüber der Restitution ethnologischer Sammlungsbestände gehört, daß namentlich afrikanische Museen den Objekten nicht jenen Schutz bieten könnten, der nötig ist, um sie dauerhaft zu bewahren. Während das für europäische Museen fraglos gelte.
In der Süddeutschen Zeitung vom 9.Juli widerlegt Jörg Häntzschel diese Behauptung, indem er das Argument an deutschen ethnologischen Museen überprüft. Deren Depots, Archivierungspraktiken und Inventarisierung erweist sich als erstaunlich desolat. Häntzschel stützt sich auf offenbar recht freimütig gegebene Auskünfte von Direktoren und Kuratoren namhafter Museen.
Fehlender Brandschutz, desolate Klimaanlagen, schädigende Umweltbedingungen gefährden das Deponierte. Noch erstaunlicher ist, daß die meisten befragten Museen nicht nur keine vollständigen Inventare haben, sondern nicht mal den Umfang ihrer Sammlungen kennen, unter anderem weil im Zweiten Weltkrieg erlittene Verluste bislang gar nicht erfasst wurden. In so manchem Museum lagern Bestände aus Grabungen und ampangen, die nie bearbeitet wurden. Ihr Umfang überfordert die Museen.
Technische Modernisierung der Inventarisierung schleppt meist die alten Defizite mit und verbessert nichts, für viele Objekte ist der Standort nicht mehr eruierbar und der Schwund ist beträchtlich.
Die Hoffnung, daß sich das mit mehr Personal schon noch aufholen und bereinigen lasse, wird von Museumsexperten bezweifelt. Es ist nicht nur eine Frage, wie unter diesen Umständen überhaupt Restitution betrieben werden kann, es ist auch die Frage, wie an solchen Museen, die nicht mal über die Grundlagen ihres Objektwissens verfügen Forschung betreiben sollen.
Hier der ganze Artikel.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Das Museum der Völker Schwaz. Eine Transformation auf der Höhe museologischer Debatten

Das Museum der Völker in Schwaz wurde 1995 vom Fotografen und Autor Gert Chesi gegründet, der auf zahllosen Reisen eine ethnologische Sammlung mit dem Schwerpunkt Afrika und Asien zusammenstellte. 2013 erhielt das Museum einen Erweiterungsbau und wurde inzwischen zu einem von der Stadt Schwaz und dem Land Tirol finanziell unterstütztem öffentlichen Museum. Im September gab es den ersten Leitungswechsel und eine Wiedereröffnung mit neuem Konzept.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.

Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.


Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.

Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.


Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“


Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.


Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um  - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“


Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.

Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".

In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.


Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.







Mittwoch, 16. November 2016

"Fremde Götter". Eine bemerkenswerte Ausstellung im Wiener Leopold-Museum

Die Ausstellung "Fremde Götter" im Leopold-Museum hat mich überrascht. Ich habe sie mit Neugier und Geduld genossen und mich unbedarfter Faszination überlassen - ich habe keine Kenntnisse zum Thema der Ausstellung: der Auseinandersetzung der europäischen Avantgarde mit der afrikanischen Kunst. Faszination ist auch das Hauptwort des Untertitels der Ausstellung, "Faszination Afrika und Ozeanien". Wie eine Kunstausstellung vermarktet wird, muß sich nicht unbedingt mit deren Inhalt decken. Worum es hier geht, wird aus den Titeln nicht wirklich klar. Nämlich um die "geschnitzten Objekte", "Ethnografika" (Flyer) des Sammlers Rudolf Leopold, die mit etwa siebzig Objekten, Gemälden, Skulpturen ua. konfrontiert werden und eine - ausschließlich ästhetische (?) Faszinationsgeschichte der Avantgarde zu erzählen - "Europas exotisches Kunstabenteuer" (Ausstellungstext).

Der eröffnende Text der "Fremden Götter"

Helmmaske aus Gabun und Picasso
Mit beachtlichen Leihgaben bestückt gelingt es an vielen Beispielen frappante Aspekte der künstlerischen Auseinandersetzung mit v.a. afrikanischer Kultur zu visualisieren. Eine relativ ausführliche Beschriftung hilft einem dabei. Und das auf eine Art und Weise, die eine erste Frage aufwirft. Im Kern ist die Ausstellung eine kunsthistorische, die die formale Verwandtschaft und Beziehung zwischen europäischer Avantgardekunst und ethnografischen Objekten zum Thema hat. Es geht um eine ästhetische Frage, in der etwas vergleichbar scheint, was nicht so ohne weiteres vergleichbar ist. An einer (einzigen?) Stelle, in einem Text, wird das auch erwähnt. Speziell afrikanische Skulpturen oder Masken sind im Verständnis ihrer genuinen Kultur keine Kunst, sie haben eine soziale und spirituelle Dimension. Diese wird in mehreren vorzüglichen Texten ausführlich erläutert. Hier begnügt man sich verdienstvollerweise nämlich mal nicht mit Leerformeln wie "Kultopbjekt" sondern informiert genau und ausführlich über Herstellung und Gebrauch einzelner Objektgattungen im Kontext der jeweiligen tribalen Gemeinschaft. Damit nimmt man eine gewisse Spaltung zwischen einerseits ästhetisierender Faszination und funktionaler Information in Kauf.




Die zahlreichen Objekte des Sammlers finden sich sowohl unter dem das Thema illustrierenden Teil der Ausstellung als auch in Gruppen von in eigenen Räumen zusammengestellten Objekten, die, soweit ich das beurteilen konnte, untereinander außer ihrer generellen Provenienz und Materialität kaum Gemeinsamkeiten hatten. Warum Rudolf Leopold diese Objekte gesammelt hat, hat sich mir nicht wirklich erschloßen. Für einen Sammler kann es recht äußerliche Beziehungen zu "seinen" Sammeldingen geben und in diesem Fall kommt schon rein zeitlich eine Rolle der Sammlung innerhalb des ziemlich genau 1900 einsetzenden Prozesse der Aneignung der "primitiven Kunst" nicht in Frage. Die offenbar alle über den Kunsthandel erworbenen Objekte stammen überwiegend aus dem "20.Jahrhundert" (Datierung ethnografischer, namentlich afrikanischer Objekte, haben nun mal extreme Bandbreiten). Das wirft gleich eine weitere Frage auf, die nach dem Status der "ethnografischen Auktionsware", bei der man im Unklaren bleibt, ob es sich um singuläre Werke, um für den europäischen Handel bestimmte Repliken etc. oder um im Sinn europäischer Hochkunst authentische Originale handelt. Über die Provenienz der Objekte erfährt man weder in der Ausstellung noch im Katalog etwas. Provenienz aber ist etwas, was bei Ethnografika heikel ist, weil in ihr noch immer Spuren kolonialer, also gewaltförmiger Beziehungen wirksam gewesen sein könnten. Die Formulierung "vom leidgeprüften Kontinent" im die Ausstellung eröffnenden Text spricht für das Vermeiden konfrontativer, kritischer Auseinandersetzung.

Objekte aus der Leopold-Sammlung

Apropos: Kolonialismus ist etwas, von dem die Ausstellungsmacher wissen, daß man sich dieser Frage stellen muß. Aber es geschieht auf merkwürdige Weise. In den diversen Texten wird er sparsam und zurückhaltend benannt ohne die Ebene der ästhetischen Betrachtung stören zu wollen. Gelegentlich ist die Zurückhaltung bedenklich. Der Benin-Kultur den "Untergang" zu bescheiningen, ist eine verschleiernde Formulierung. Die traumatisierende Zerstörung der Hauptstadt und Verschleppung aberhunderter Artefakte kann man endlich mal klar und unmißverständlich benennen.

Spiegelmaske von Kader Attia. Foto Internet, alle anderen G.F..
Kolonialismus wird aber sehr wohl thematisiert, und zwar gleich zweifach. Einmal mit Objekten, die die Kader Attia in Auseinandersetzung mit der europäischen Musealisierung ethnografischer Objekte geschaffen hat und die im eröffnenden Raum zu sehen sind. Das ist bemerkenswert, weil hier die Einseitigkeit der Rezeption, die etwa afrikanische Kunst wird im europäischen Blick gespiegelt, aber nicht umgekehrt, umgedreht, sondern in den verspiegelten Objekten Attias buchstäblich selbst gespiegelt wird.
Und es gibt Videoarbeiten von Attia zu sehen, die sich dokumentarisch mit dem aktuellen Kolonialismus und den Langzeit-Folgen beschäftigt. Im scharfen Kontrast zur gleichsam ästhetisch besänftigenden, schwach dosierten Infiltrierung der eigentlichen Ausstellung mit kolonialen Fragen werden hier die Besucher mit den offenen Wunden europäischer und genereller kolonialer Hegemonie konfrontiert.


Einerseits war ich neugierig und interessiert, die Arbeiten Attias kennenzulernen, andrerseits konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie das Gewissen - der Besucher? der Kuratoren? - so weit beruhigen sollen, daß der ungestörte ästhetische Genuß des Hauptteils der Ausstellung - die mit den verstörenden Videos Attias nirgends verknüpft wird -, gewährleistet sein soll.
Nicht zu vergessen die museumspolitische Hauptaufgabe der "Fremden Götter": die Sammlung Rudolf Leopolds zu zeigen und würdigen. Das geschieht natürlich besser, indem man sie in einen kunsthistorischen Kontext einrückt, in eine großes Kapitel der Entwicklung der Avantgarde, unter Aussparung allzu bedrängender Fragen und ohne zu laut darüber zu reden, daß diese Sammlung mit in diesem Kapitel nie eine Rolle gespielt hat.

Dienstag, 21. Juni 2016

Menschenvitrine (Figurinen 36)

Diorama is of a Samoan Indian group with native artifacts, part of the Polynesian ethnology exhibit in the United States National Museum, now the National Museum of Natural History.

Donnerstag, 18. Februar 2016

Der Sammler

Guimet in his Museum (1898). Ferdinand Jean Luigini (French, 1870-1943). Émile Étienne Guimet (1836-1918) was a French industrialist, traveler and connoisseur who founded the Musée Guimet. He studied the religions of the Far East, and the museum contains many of the fruits of this expedition, including a fine collection of Japanese and Chinese porcelain and many objects relating not merely to the religions of the East but also to those of Ancient Egypt, Greece and Rome.