Samstag, 12. Januar 2013

Aus der Geschichte der Schatzbildung: Tetzels Ablasstruhe (Objet trouvé)


Es klingt ganz heutig. Wie kommt man zu viel Geld, um zu investieren? Wie nutzt man dabei bereits existierende Schuldverhältnisse? Wie bewerkstelligt man Umverteilung im Großmaßstab?

In katholischen Ländern ging das im 16. Jahrhundert so. Eine Fachkraft wird beauftragt Ablasshandel zu treiben, also die Umwandlung von Schuld in Geld. Wer zahlte, kam nicht in die Hölle, die Sünden wurden vergeben. Dafür gab es detaillierte Preislisten, die eine Staffelung nach Ausmaß des Sündennachlasses und sozialer Zugehörigkeit vorschrieben. "Vollkommene Vergebung" war selbstredend teuer, kostete Könige und Königinnen mit ihren Nachkommen, Erzbischöfe und Bischöfe fünfundzwanzig rheinische Goldgulden, Äbte, Prälaten und andere Adelige zehn Goldgulden. Die Staffelung der übrigen Gesellschaftsschichten bezog sich auf das jeweilige Einkommen.

Die Fachkraft war der Dominikanermönch Johann Tetzel (* um 1460 † 11. August 1519). Seine Karriere beginnt im Dienste des Deutschen Ritterordens und hat ihren Höhepunkt in der Ernennung zum Subkommissar beim Ablasshandel für den Bau der Peterskirche in Rom. Denn die Hälfte der Einnahmen aus dem Ablass fließen in den Bau des Persdomes (der Papst zeigt sich mit einer Ernennung zum Doktor der Theologie erkenntlich), die andere Hälfte ging, in einem geheimen Abkommen geregelt, an den Erzbischof Albrecht von Brandenburg. Womit dieser seine gegenüber den Fuggern aufgelaufenen Schulden begleichen konnte. Die Fugger hatten offenbar Grund, dem frommen Mann Tetzel bei seinem Eintreibergeschäft zu misstrauen, sie begleiteten ihn und zogen die den Fuggern zustehenden Tilgungssummen sofort und selbst ein. Tetzel hatte ja wirklich alles andere als einen frommen Lebenswandel, in Innsbruck wurde er wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt. Der Kurfürst von Sachsen rettete ihn. Die immensen Schulden des Erzbischofs waren entstanden, weil er mit den Krediten Ämter kaufte (Simonie) - zusätzlich zu den Bischofssitzen von Magdeburg und Halberstadt den wichtigsten deutschen Erzbischofsstuhl von Mainz, der mit der Kardinalswürde und dem Erzkanzleramt über den deutschen Teil des Reiches verbunden war. Dieses Handeln mit wechselseitigen Schuldverhältnissen brachte das Fass zum Überlaufen und provozierte Martin Luther zu seinem berühmten Thesenanschlag.

Ein Relikt des unfrommen Wirkens Tetzels sind einige (in ihrer Authentizität nicht so ganz gesicherte) Ablasskisten. Von der hier abgebildeten Truhe, die sich im Städtischen Museum Braunschweig befindet, weiß man aus Quellen, daß Tetzel sie im Zuge von Ablaßpredigten in der kleinen Peterskapelle südöstlich des Dorfes Süpplingenburg (bei Helmstedt) verwendet hat. Solche Kisten mussten massiv, mit Eisen verstärkt und durch mehrere Schlösser gesichert sein. Die Ablaßkiste durfte nicht offenstehen und nur in Anwesenheit von Zeugen oder eines Notars geleert werden. Man nimmt an, daß die Schlüssel zu den drei auf dieser Truhe befindlichen Schlössern im Besitz der drei Nutznießer des Ablasshandels waren: die römische Kurie, das Fuggersche Bankhaus und der Ablaßkommissar und Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg.

Schätze und Schatzhäuser sind eine der Grundformen des Sammelns. Die Geschichte vom Ablassfunktionär Tetzel ruft uns deren eher unterschlagenen und verdrängten Aspekte in Erinnerung.


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