Mittwoch, 26. September 2012

"Entscheiden". Eine Ausstellung des Stapferhauses in Lenzburg

Adam und Eva hatten eine Entscheidung zu treffen
Nur eine (und die war dann vielleicht falsch entschieden).
Das ist die Pointe einer Ausstellung des Stapferhauses Lenzburg.
Denn wir, wir haben pausenlos Entscheidungen zu treffen, können uns unter unendlich vielen Optionen entscheiden.

Da ist die Partnerwahl, die Berufswahl, der Kinderwunsch, die Entscheidung zur Scheidung. Wenn wir in einen Supermarkt gehen, können wir uns für eine Ware zwischen vielen Marken entscheiden, wenn wir ein Kind in die Welt setzen, haben wir die Qual der Namenswahl oder eine viel dramatischere, wenn eine Behinderung noch vor der Geburt vorausgesagt wird. Selbst bei unserem Körper können wir inzwischen Entscheidungen treffen, nicht bloß über Gesund oder Krank, sondern auch über Schön und Hässlich.
Überfordert uns dieses Wählen? Wie verantwortlich treffen wir Entscheidungen? Was oder wer hilft uns dabei? Und macht uns die Wahlfreiheit und -möglichkeit glücklich? Wie abhängig ist die Wahlfreiheit davon, wo wir leben und unter welchen Bedingungen wir leben?


Die Ausstellung "Entscheiden" ist als Parcours angelegt, beginnend mit Adam und Eva, von wo wir uns Station um Station durcharbeiten. Mit einer Tasche und einem Karton in der Hand, auf die wir die in Form von Strichcodes ausgegebenen Ergebnisse der Computerterminals aufkleben, wo uns Fragen zu unserer Entscheidungslust und -fähigkeit abverlangt wurden.
Wenn wir am Schluß den Eintritt zahlen bekommen wir am Kassenbon ausgedruckt das Ergebnis unserer Befragung.

Die Aussstellung ist stark textlastig, es gibt viel zu lesen, viel zu beantworten. Objekte im herkömmlichen Museumssinn gibt es wenige und eher als Alibi oder gestalterische Abwechslung. Im Grunde könnte das Ganze auch im Internet funktionieren, mit ambitionierter Grafik und denselben Texten.


Der Raum spielt eine ungleich weniger wichtige Rolle, als bei der Ausstellung "nonstop", die ich hier vor zwei, drei Jahren gesehen habe. Daß sich am dunklen Dachboden die schicksalshafte Unausweichlichkeit von Erkrankung oder Unfall findet, also am Schluß der Ausstellung, mag der Dramatisierung der Entscheidungslosigkeit geschuldet sein, aber zwingen ist das auch nicht, zumal der riesige Raum mit ganz wenigen (ausschließlich) Texten bestückt ist.


Die Ausstellungen des Stapferhauses haben sich ihren Ruf (weit über die Schweiz hinaus) durch die Kombination von Themenwahl und Gestaltung erworben. Es sind lebensweltlich bedeutsame Themen, wie der Umgang mit und das Ausgeliefertsein an Zeit, Sterben und Tod ("last minute") oder Glaube und Unglaube.

Während in den meisten Ausstellungen, vor allem bei denen, die von Museen ausgerichtet werden, die Sammlung bei der Wahl von Themen Pate steht, kommt hier offenbar zuerst das Thema. Die Gestaltung und die Wahl der Objekte folgt der Themenwahl und nicht umgekehrt. Das hat zur Folge, daß im Prinzip jedes Veranschaulichungsmedium in Frage kommt. Objekte, die Museumsqualität hätten, können auch auf Zeit geliehen werden, vieles wird von Fall zu Fall (architektonisch, grafisch) dem Thema entsprechend neu gestaltet.

Damit weichen die Ausstellungen des Stapferhauses signifikant von konventionellen Museumsausstellungen ab. Beides ist mir sympathisch: die selbstverständliche Wahl der Medien ohne Rücksicht auf museale und problematische Wertvorstellungen (das "authentische" Objekt...) und die konsequente Lebensweltlichkeit der Themen. Hier wird in der Gegenwart über die Gegenwart gesprochen, was nicht ausschließt bestimmte Fragen zu historisieren. Auch eine Statistik, wie die zu Scheidungsraten und Scheidungsmotiven kann verblüffende Aufschlüsse über Entwicklungen vermitteln.

Die Qualität der Ausstellung und der Spaß, den sie mir gemacht haben, hat damit zu tun, daß überraschende und erhellende Aspekte aufblitzen, die sich einem multiperspektivischen Zugang zum Thema verdanken.

Dagegen fand ich es schade, daß so manche "Interaktion", mit der man mich beschäftigte, in multiple choice - Manier einem problematische Fragen und noch problematischere Antworten aufdrängte. Witzig waren dagegen die vielen guten und praktischen Tipps, die man allerdings nur dann nach Hause nehmen konnte, wenn man das (wohlfeile) Magazin zur Ausstellung kaufte.

Wie schon bei der Ausstellung "nonstop" hatte ich den Eindruck, daß man eher phänomenologisch vorgeht und eine tiefer führende Reflexion nur an manchen Aspekten stattfindet. Daß wir uns so unter Zeitdruck setzen, wie uns in der Ausstellung "nonstop" gesagt wurde, hat wohl nicht nur mit unseren konsumistischen Bedürfnissen zu tun, den die Industrien willig folgen. Und auch der "Supermarkt der Möglichkeiten", von dem in "Entscheiden" die Rede ist, kennt - diskrete, verschwiegene oder verdrängte (Vor)Entscheidungen, um die man sich nicht immer herumdrücken sollte.

Am unzufriedensten sind die, die keine oder zu viel Wahl haben. Sagt der Pralinentest.
Der Philosoph Günther Anders zitiert zu Beginn seines Buches "Die Antiquiertheit des Menschen" einen Zeitungsbericht: "Die zum Tode Verurteilten können frei darüber entscheiden, ob sie sich zu ihrer Mahlzeit die Bohnen süß oder sauer servieren zu lassen." Um dann fortzufahren "Weil über sie verfügt worden ist".

So weit wagt sich die Ausstellung nicht. Aber sie hat mehr Fragen als sehr viele andere.



Orientierung (Texte im Museum 325)

Wohnmuseum Lenzburg / Geschichtswerkstatt und leitsystem

Acht Prozent. Wer geht / wer geht nicht ins Museum?


Unlängst, ein museologischer Vortrag.
Die Hälfte der deutschen Bevölkerung geht nicht ins Museum.
Nie.

Das ist nicht neu, diesen Prozentsatz kenne ich, seit ich mich mit museologischen Fragen beschäftige.
Und er gilt auch für andere Länder.

Neu ist eine andere Zahl. Acht Prozent der Bevölkerung sind regelmäßige Nutzer.
Regelmäßige Nutzer sind Personen, die mindestens zwölf mal im Jahr in ein Museum gehen.
Einmal im Monat durchschnittlich.

Klingt wenig und elitär.
Die gute - oder schlechte - Nachricht ist: in dieser Hinsicht steht das Museum besser da als Konzert, Oper oder Theater.

Aber. Unter den acht Prozent sind alle die, die aus beruflichen Gründen das Museum besuchen, Wissenschafter, Museumsleute, Gestalter, Künstler, Vermittler, Lehrer...

Die fünfzig Prozent, die nicht ins Museum gehen werden gerne als Nichtbesucher bezeichnet.
Damit werden sie einerseits ein wenig stigmatisiert, denn ein Museum nicht zu besuchen, ist für den Bildungsbürger ein wenig verzeihlicher Mangel. Andrerseits bindet man sie begrifflich ans Museum. Zwar negativ aber doch. Die sind die, die nicht ins Museum gehen.

Tatsächlich haben wohl die meisten dieser Menschen "recht".
Denn für sie existiert das Museum nicht.
Und zwar deswegen, weil es nichts mit der von ihnen gelebten Kultur zu tun hat.

Deswegen sollte man auch sehr vorsichtig sein mit allen Absichten, wenigstens einen Teil davon ins Museum zu bringen (locken, verführen, bewirtschaften, entwickeln usw.).

Es sind eben weder Museumsnichtbesucher noch Kulturabstinente. 
Sie teilen nur nicht "unsere Kultur".

Cool (Entrée 76)

Museum Moderner Kunst Wien

Montag, 24. September 2012

Ein Museum: Bergsturzmuseum Goldau

Schwyz, 5. Sept. Der 2. Sept. war für den Bezirk Schwyz ein trauriger, jammervoller Tag. Nach einem vier und zwanzig stündigen ausserordentlich heftigen Platzregen borst um 5. Uhr Abends an dem Berge Spitzebüol, ob dem Dorfe Röthen, dessen oberste Felsenspitze. Zugleich trennte sich, durch unterirrdisches Wasser von dem Kern des Berges gelöset, eine ungeheure bey 300. Ellen tiefe Erdmasse in einer Breite von 100. Fuss vom Gebürg. Diese fürchterliche Errdlauwe, riss Wohnungen, Menschen und Vieh mit sich, über den Rücken des Bergs, und stürzte mit unbeschreiblicher Gewalt in das unten gelegene Thal. Viele Centnerschwere Steine vor sich her durch die Luft auf eine unglaubliche Weite schleudernd, trieb der viele Ellen hohe Erdstrom mit Blitzesschnelle über die eine Stund breite, fruchtbare und mit Wohnungen übersäete Ebene an den gegenüber liegenden Rigi-Berg, drückte den Schutt mehrere tausend Fuss hoch den Berg hinauf, zersprengte da die dickesten Bäume in Splitter, weit herum alles verheerend und überschüttend. Ein kleiner Theil der schrecklichen Masse hatte schon beym Anbruche eine von der Hauptmasse verschiedene Richtung genommen; diese drehte sich links, wälzte sich aufwärts gegen den Lauwerzer-See, trieb ihn aus seinem Bethe, und nöthigte die Fluth 150. Schuh hoch über das zu springen. Die Gewalt des Wassers riss alle Gebäude rings um den See mit sich fort, zerstörte die Landstrasse, und bedeckte den See mit Trümmern und Ruinen." (Neue Zürcher Zeitung 9.9.1806)

An der Südflanke des Rossberges im Kanton Schwyz setzten sich beinahe 40 Millionen m³ Nagelfluhgestein von der Gnypenspitze auf einer circa 20° talwärts geneigten Gleitbahn über stark durchfeuchteten tonigen Zwischenschichten in Bewegung und stürzten ungefähr 1000 Meter ins Tal hinab. Der Rutsch breitete sich unten fächerförmig aus, brandete an der gegenüberliegenden Rigikette hundert Meter empor, überschüttete insgesamt eine Fläche von rund 6,5 km² und zerstörte die Dörfer Goldau, Röthen sowie Teile von Buosingen und Lauerz. [2] 457 Menschen kamen ums Leben, über 100 Häuser, 220 Ställe und Scheunen sowie zwei Kirchen und zwei Kapellen wurden zerstört. Die Dörfer Goldau und Röthen waren verschwunden, und der Lauerzersee verkleinerte sich um ein Siebtel seiner Fläche.


Im Jahre 1956 errichtete der initiative Goldauer Bahnhofbuffet-Wirt Edwin Simon in einer selbst finanzierten Militärbaracke, die er neben den Tierparkeingang stellen liess, eine Ausstellung der Fundgegenstände aus dem 150 Jahre zuvor verschütteten Dorf Goldau.
1965 wurde eine Stiftung gegründet, welche im folgenden Jahr einen Museumsneubau eröffnete, um dem Publikum die Dokumente der Katastrophe zu präsentieren.
Die bestehende Sammlung wird seither laufend erweitert. 1994 wurde das Museumsinnere umgestaltet, um das restaurierte Messgewand, welches die Katastrophe vollkommen unbeschadet überlebte, sowie das grosse Ölgemälde von David Alois Schmid - Goldau vor dem Bergsturz darstellend -, das bis zur Renovation der Pfarrkirche unter der Empore derselben hing, besser zu präsentieren. Kürzlich wurden plakatgrosse und drehbare Schautafeln angebracht, welche die Entwicklung Neu-Goldaus besser dokumentieren. So sind zum Beispiel sämtliche Baudaten der Häuser zwischen 1806 und 1934 aufgelistet. Auch die geologischen Erklärungen sind verbessert worden.




Entscheiden (Texte im Museum 324)

Ausstellung "Entscheiden". Stapferhaus Lenzburg, 2012

Dienstag, 18. September 2012

Wenn es Museumscafés gibt, dann muß es eigentlich auch Cafémuseen geben. Ein Beispiel


Im Post vom 7. September 2011 (hier) habe ich von einem seltenen Fall von Entmusealisierung berichtet. Das kleine, zum Universalmuseum Joanneum gehörige "Römermuseum" sollte zur begehbaren Vitrine umgestaltet werden und das Ausgrabungsgelände des römischen Flavia Solva zugeschüttet, weil das billiger als die Erhaltung der Grabung sei.
Proteste vor allem der Gemeinde haben zur Änderung der Pläne geführt. Der größte Teil der Grabung wurde tatsächlich zugeschüttet und der Verlauf der Mauern markiert, wichtige Teile wurden erhalten, teilweise überdacht.
Und das Museum wurde tatsächlich zur Vitrine, die man auf einem Steg umrunden kann. In der diaphanen Glaswand finden sich Objekte und Informationen.
Das Museum wurde im Inneren zum Café und Eissalon. Das Museum spart sich Personal(kosten) und verdient womöglich durch die Verpachtung. Das Café-Museum ist erfunden!






Montag, 17. September 2012

Sponsoren (Texte im Museum 323)

Skulpturenpark / Universalmuseum Joanneum (2012)

"Social Inclusion" oder hegemoniale Museumspolitik? Die "Vermittlungsoffensive" von Ministerin Claudia Schmied

Die für die Bundesmuseen zuständige Ministerin Claudia Schmied hat unlängst Bilanz nach drei Jahren "Vermittlungsoffensive" gezogen. Gemeint ist der von ihr eingeführte Gratiseintritt in Museen für unter 19jährige. Da es an Vergleichszahlen zur Zeit vor der Regelung fehlt, nimmt sich statistisch der Effekt des Gratiseintritts eindrucksvoll aus.
Dabei bleibt es nicht. 400.000 Euro werden für neue Vermittlungsprojekte ausgeschrieben.
Social inclusion auf Staatskosten?
Man darf nicht zu viel nachdenken und nachhaken.
Die Theoretikerin Carmen Mörsch hat vier Typen von Vermittlung ausgemacht: eine affirmative Funktion, „wenn sie“, wie sie schreibt „Institutionen der Hochkultur und das was sie produzieren, möglichst reibungslos an ein entsprechend initiiertes und bereits interessiertes Publikum vermittelt.“ Eine reproduktive Funktion hat sie dann, wenn es ihr und dem Museum in erster Linie um die Rekrutierung eines Publikums der Zukunft geht.
Die dritte Funktion nennt sie „kritisch – dekonstruktiv“, sie reflektiert die strukturellen Voraussetzungen des Museums und der Vermittlung und legt ihren Standpunktes offen, was Besuchern ermöglicht, sich an dieser Reflexion eigenständig zu beteiligen.
Die vierte Möglichkeit liegt darin, gesellschafts- und institutionenverändernd wirken zu wollen. Das geht aber nur dann, wenn man auf die Inhalte und die Rahmenbedingungen unter denen sie produziert und vermittelt werden selbst Einfluss nimmt und nehmen kann. Dies nennt Carmen Moersch transformativ.
Liege ich falsch, wenn ich vermute, daß die Mehrzahl der Vermittlungsprojekte diese beiden ersten Funktionen erfüllt? Die Propagierung und Initiierung in vorab beglaubigte kulturelle Werte um ihrer selbst willen mit dem Ziel das künftige Publikum heranzuziehen?
Das wäre ein Praktizieren kultureller Hegemonie, sozialen Machtverhältnissen entsprungen aber diese verschleiernd. Am Spiel von Kultur und Macht nehmen Bevorrechtete teil, die ihre Interessen als allgemein gültige ausgeben, und die ihre Werte durchzusetzen versuchen.
Der bildungspolitische Glanz, den die ministerielle Strategie (als einzig erkennbare museumspolitische) ausstrahlt, verblasst nicht nur angesichts dieser Vermutung. Sozialdemokratische Kulturpolitik war selten mehr als Affirmation und Adaption bürgerlicher Werte und das berühmte "Kultur für Alle" ebnete einer dienstleistungs- und marktorientierten Kulturpolitik Tür und Tor.
Claudia Schmied kann man die Lektüre von Karl Kraus' "Nachträgliche Republikfeier" empfehlen, ein Text in dem der Autor feststellt, daß "dem Proletarier Eingang (in das bürgerliche Theater GF) zu ermäßigten Preisen verschafft zu haben man für eine revolutionäre Errungenschaft hält." Und fortfährt: "Sollten sie wirklich dazu Revolution gemacht haben, um in der Kultur schließlich auf den leeren Plätzen der Bourgeoisie zu sitzen, die sie nicht etwa geräumt hat, weil sie sich vom Nachdrängen der Arbeiterklasse bedroht fühlt, sondern nur weil sie von den Leistungen ihres eigenen Kunstgeschäfts gelangweilt ist?"

Freitag, 14. September 2012

Museumspolemik - das Darwineum in Rostock

In der heutigen TAZ darf man (hier) etwas sehr seltenes bestaunen: eine Museumskritik, und noch dazu eine polemische. Sie gilt dem eben eröffneten Darwineum in Rostock, das eine Mixtur aus Museum und Zoo ist. Colin Goldner läßt an beidem kein gutes Haar, nicht am Museum, mit seiner "Vielzahl an Schautafeln und musealen Staubfängervitrinen, die tatsächlich zu allem anderen taugen, als 'die Geburt des Universums bestaunen, explodierende Sterne sehen und die Entstehung der Erde erleben' zu können" und nicht am Zoo, wo die "Frage, ob es ethisch überhaupt noch vertretbar ist, Menschenaffen in Zoos gefangen zu halten, wird im Darwineum nicht gestellt" werde. Das alles sei so spannend "wie ein Yps-Heftchen der 70er-Jahre" und "der prinzipiell aufklärerische Wert des Darwineums wird allein dadurch (durch die Haltung von Menschenaffen) in sein Gegenteil verkehrt: der Mensch wird nicht als Teil der Evolution dargestellt, sondern – wie Religionen jeder Art dies seit je verkünden – als gottgleiche 'Krone der Schöpfung', befugt, mit Tieren zu verfahren, wie es ihm beliebt."

Samstag, 8. September 2012

Ein Museum: Fiji-Museum, Suva





Located in the heart of Suva's botanical gardens, the Fiji Museum holds a remarkable collection which includes archaeological material dating back 3,700 years and cultural objects representing both Fiji's indigenous inhabitants and other communities that have settled in the island group over the past 100 years. (Webseite)


Dienstag, 4. September 2012

Soll das Konzentrationslager Buchenwald kulturelles Welterbe werden?

Die Stadt Weimar bemüht sich, unterstützt vom Leiter der Gedenkstätte, das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Es wäre das erste Mal, daß ein Ort massenhafter Verbrechen in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben würde.
Es gibt auch Gegenstimmen. Orte des Verbrechens könnten und dürften niemals eine solche Anerkennung finden, denn Verbrechen solchen Ausmaßes seien "nicht Kultur".

Buchenwald, ehemaliges Barackengelände. Foto GF
 Das ist eine riskante Argumentation, weil sie darauf hinausläuft, Gewalt und Verbrechen aus dem Kulturbegriff auszuschließen. Unterschlagen würde damit eine Dialektik, von der das Konzept des Welterbes selbst zehrt: alles was an dieser kulturellen Überlieferung von Barbarei kontaminiert ist, wird durch seine Kulturalisiserung verdrängt und gleichsam unsichtbar.
Eine unter Schutz gestellte Stahlfabrik sollen wir als Kathedrale der Industrialisierung und nicht als Ort entfremdender Arbeitsbedingungen und etwa Produktion von Rüstungsgütern wahrnehmen. Die Fragen nach den Quellen des Reichtums und der Macht, die einem indischen Mogul die Errichtung eines märchenhaftes Mausoleums (Taj Mahal) erlaubt, soll nicht gestellt werden.
Genau diese Kulturalisierung der Barbarei ist aber ein Effekt der Unterschutzstellung im Namen eines sogenannten Welterbes. Es soll ein Kanon global gültiger kultureller Werte geschaffen werden, der eine positive (vor allem ästhetische) Anerkennung erheischt. Und das durchaus im Sinne des Konzepts der Sehenswürdigkeit, deren Wert und Bedeutung schon vorab postuliert und verbrieft ist und somit jedem sich immer wieder erneuernden Diskurs entzogen, der diese Bedeutung befragen und infragestellen könnte.
Die Verantwortlichen der Stadt Weimar und der Leiter der Gedenkstätte betonen, daß es genau um diese Dialektik von Hochkultur (Stadt) und Verbrechen (Lager) ginge. Machte man Ernst damit, machte es nur Sinn, wenn es Konsequenzen für das - vielfach problematische - Konzept des Welterbes hätte. Aber in dessen Praxis ist eine reflexive Problematisierung des kulturellen Erbes nicht vorgesehen.
Und: So fragwürdig die Attitude ist, mit der sich eine hand voll von Kulturbürokraten zum globalen Erblasser ernennt, so fragwürdig wäre der Effekt, der nun auch ein in Deutschland liegendes NS-Konzentrationslager einem globalen Erben überantwortet und damit auch die Frage nach Schuld und Verantwortung verschieben würde.  

Sonntag, 2. September 2012

Ein Museums(nicht)liebhaber (Das Museum lesen 28)


Ich liebe Museen nicht sonderlich. Es gibt viele, die man bewundern kann, es gibt keines, das einem Wonnen schenkte. Was an Vorstellungen über Ein- und Zuord-nung, Erhaltung und Nutzen für die Allgemeinheit umläuft, ist richtig und einleuchtend, hat aber mit Spendung von Wonnen wenig zu tun.
Beim ersten Schritte den schönen Dingen entgegen nimmt eine Hand mir den Stock weg, untersagt mir ein Anschlag das Rauchen.
Das Museum übt eine nicht abreißende Anziehungskraft auf alles aus, was Menschen tun. Der Mensch, der Werke schafft, der Mensch, der stirbt, füttern es. Alles endet an der Wand oder im Schauschrank... Ich kann mich nicht enthalten, an die Spielbank zu denken, die bei jedem Umlauf gewinnt. Doch das Vermögen, diese immer voller werdenden Speicher zu nutzen, steigt keineswegs mit ihrem Wachstum. Unsere Schätze erdrücken uns und verwirren uns. Die Notwendigkeit, sie in einer Behausung zusammenzudrängen, treibt die Betäubung und die Trauer, die von ihnen ausgehen, noch über sich hinaus. So weiträumig das Schloß auch sein mag, noch so angepaßt, noch so geordnet - immer kommen wir uns in diesen Galerien ein wenigverloren und verzweifelt vor, so allein gegenüber so viel Kunst! Was alles diese Tausende von Stunden hervorgelockt haben, die so viele Meister aufbrachten, um zu zeichnen und zu malen, wirkt in einigen wenigen Augenblicken auf unsere Sinne und auf unserm Geist— und diese Stunden waren doch eine jede selbst bis zum Rande voll mit Jahren des Suchens, des Erfahrens, des Wachseins, des Genies befrachtete Stunden! . . . Da müssen wir notwendig erliegen. Was tun? Wir werden oberflächlich.

Paul Valery: Das Problem der Museen