Donnerstag, 19. April 2012

Verweildauer und Migrantinnen. Schon wieder Krisensitzung vorm Museum

In der heutigen Ausgabe der ZEIT (ich habe sie nicht gelesen, sie ist auch nicht online, aber 'Perlentaucher' zitiert) berichtet Hanno Rauterberg über einre 'neue Studie' derzufolge in Museen Besucher durchschnittlich 11 Sekunden verbringen.
Diese neue Erkenntnis gibt es seit ungefähr 30 oder auch mehr Jahren.
Welche Schlüsse Hanno Rauterberg daraus zieht? Welche könnte man daraus ziehen? Sind in den 30 Jahren (mindestens), während derer man es wissen konnte, Schlüsse daraus gezogen worden?
Vor einigen Tagen berichtet eine andere Zeitung, ich glaube es war die taz, daß eine Studie (auch die neu) beweist, daß MigrantInnen Museen seltener Besuchen als Deutsche. Das nun weiß man nicht seit 30 Jahren, weil Migrantinnen vor 30 Jahren keine Frage waren, also auch nicht für empirische Untersuchungen. Aber man weiß seit (mindestens) 30 Jahren, daß bestimmte soziale Gruppen nicht ins Museum gehen. Nie. Und man weiß, warum nicht. Weil nämlich 'Museum' und jene Kultur, in der 'Museum' vorkommt, für sie nicht existiert. Die besagte Studie hat also folgerichtig (noch einmal herausgefunden), daß MigrantInnen nicht etwa keine Kultur haben, sondern eine andere, als diejenigen, die ins Museum gehen. Um festzustellen, daß MigrantInnen nicht (oder fast nicht) ins Museum gehen, hätte es genügt, ins Museum zu gehen, um festzustellen daß dort a) keine Migrantinnen sind sondern eher nur freizeitverfügender weißer bildungbeflissener Mittelstand und b) keine Themen, die mit ihrer Lebenswelt zu tun haben. Der Berichterstatter sieht Handlungsbedarf, erklärt aber nicht welchen. Er deutet an, daß die Verteilung der Fördergelder adaptiert werden müsste. Frage: wird die Veränderung der Verteilung der Fördermittel etwas ändern? Frage: Werden die Museen inhaltlich, thematisch, methodisch reagieren? Frage: Sollen sie das tun, warum ja, warum nein?
Frage: warum entdecken Zeitungen und Journalisten Tatsachen, über die Praktiker wie Theoretiker (zum Beispiel Museumssoziologen) längst Bescheid wissen? Seit 30 Jahren. Mindestens.

Verwandter Post: Auf dem Weg zum postdemokratischen Museum. Verweildauer III
Verwandter Post: Verweildauer II (mit Link zum Artikel von Hanno Rauterberg)

4 Kommentare:

  1. Statistische 11 Sekunden - das war mir bisher neu. Nicht aus Desinteresse. Vielleicht schreiben deshalb Jounalisten über Tatsachen, über die Museumssoziologen längst Bescheid wissen? Danke für Deinen Artikel.

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  2. Cultural window Shopping hat man das genannt, eine Art zerstreuter Wahrnehmung, die aus dem Museum eher ein Massen- denn ein Bildungsmedium macht...

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  3. Thomas HammacherApril 20, 2012

    Der Originaltext aus der ZEIT ist jetzt auch online verfügbar:
    http://www.zeit.de/2012/17/Museumbesuch-Studie

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  4. Lieber Thomas, danke. Hab schon reagiert. Wenn Du Lust hast, aus der Film\ Kinoperspektive zu schreiben, dann ist das herzlich Willkommen. liebe Grüße, Gottfried

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