Freitag, 6. Mai 2011

Konzert / Ausstellung

Pierre Boulez im Gespräch mit Felix Klopotek und eine Denküberraschung (Jungle World 5.5.2011)

Und dann müssen Sie noch zwei Sachen bedenken: Zum einen ist ein Konzert immer ein einmaliges, nicht wiederholbares Erlebnis. Das ist grundsätzlich so. Zum anderen sind viele Konzert-Programme so konservativ, starr und auch langwierig, dass Sie kaum die Chance haben, mit einem von Ihnen als kontrovers erlebten Stück noch einmal in Berührung zu kommen. Sie sind von einer Komposition irritiert, aber das nächste Mal, dass Sie Gelegenheit hätten, dieses Stück ein zweites Mal zu hören, wird in drei Jahren sein! Unmöglich, sich dann noch an die erste Aufführung zu erinnern!
Was wäre das Ideal?
Dass man die Konzerte aufnimmt und die Aufnahme sofort allen Interessierten zugänglich macht. Das ist in Zeiten der Digitalisierung und des Internets problemlos möglich. Man kann im Internet das Stück auch viel besser kommentieren. Programmtexte, die man vor einem Konzert in die Hand gedrückt bekommt, sind doch häufig oberflächlich. Außerdem, wer hat die Zeit, sie noch schnell zu lesen? Das Ideal wäre also, dass man Konzerte oder Musikaufführungen wie eine Malerei-Ausstellung konzipiert, in der die Leute zwischen den Stücken, den Texten, den Interpretationen oder innerhalb eines Stückes zwischen seinen Abschnitten hin und her wandeln können.

1 Kommentar:

  1. Zunächst einmal ganz herzlichen Dank für das Aufmerksammachen auf dieses wunderbare Interview! Es ist wahrlich ein Genuss, die Antworten von Boulez zu lesen.

    ad Digitalisierung: das Gesagte erinnert mich ein wenig an den Ansatz des YouTube Symphony Orchestra, auch die Argumentation ist streckenweise ähnlich ...
    Mir gefallen diese Ideen und Ansätze ausgesprochen gut (ich hab auch die 2 Stunden beim YouTube-Orchester ausgeharrt ;) ), nur: ich fürchte, dass, wollen wirklich damit mehr Menschen und v.a. neue Interessierte erreicht werden, sich einiges ändern muss an der Handhabung der Peripheriegeräte. Denn Hand aufs Herz, wer hat denn tatsächlich an seinen PC hochwertigste Lautsprechersysteme, Tieftöner etc. angeschlossen, Geräte, die mit Spitzen-HiFi-Anlagen qualitätsmäßig mithalten können? Ich hab ziemlich viel investiert, um so etwas - zumindest bei einem meiner Computer - zu haben und Musikqualität wirklich genießen zu können, kenne aber kaum jemanden in meinem Freundeskreis, der das auch getan hätte. Darunter sind professionelle Musikkenner- und Liebhaber, und die hören praktisch - ohne Internet - ausschließlich über Spitzenanlagen. Zusätzlich müsste noch die Akustik im Raum stimmen usw.
    Also ich sehe in diesem Bereich eher den Flaschenhals der an sich wichtigen und m.E. auch wirklich zukunftsträchtigen Argumentation. Das würden auch die heutigen technischen Möglichkeiten mit Internet über TV, HDMI ... etc. nicht wirklich ändern.

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