Montag, 8. Februar 2010

Museumskrise? Welche Krise?

Im Juni 2008 veröffentlichte die Unternehmensberaterfirma Arthur D. Little eine Mitteilung zur Situation der Museen in Deutschland mit der Schlagzeile „Mehr Unternehmertum für deutsche Museen“.
Arthur D. Little konstatiert einen „Trend“ zur Erhöhung der Eigenfinanzierung, zur Reduktion der Abhängigkeit von „öffentlichen Subventionen“ und zum „unternehmerischen Handeln“. Gestützt auf eine Untersuchung von „in Europa führenden Museen“ wird der Museumsinsel ein neunter Rang zugewiesen – aufgrund eines einfachen Rankings der Besucherzahlen. Als weitere Indikatoren werden jene Besucher, die mindest einmal im Jahr ein Museum besuchen, im Ländervergleich bewertet. Wenn der „Studienleiter“ Stefan Höffinger aus den Zahlen schließt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen in den „letzten zwölf Monaten kein einziges Mal ein Museum besucht“ hat, dann leitet er daraus die Forderung ab, mit einem „attraktiven inhaltlichen Angebot“ die „Erschließung neuer Erlös- und Ertragsquellen“ zu bewirken.
Denn: „Die Bedeutung der öffentlichen Hand in der Kulturförderung geht zurück“. Deshalb müssten „eigene Mittel“, vom Verkauf von Eintrittskarten bis zum Merchandising, akquiriert werden. Dies wird im Text als „unternehmerisches Handeln“ und „Professionalisierung“ bezeichnet und diejenigen Institute als „beste“ hervorgehoben, die eine Eigenfinanzierungsquote von „bis zu 75 %“ haben (Guggenheim Bilbao. Albertina Wien).
Mit Hinweis auf das Museumsquartier Wien empfiehlt das Papier die Schaffung von „Third Places“, „semi-öffentlicher Räume“, wo der „Kunde mit multidimensionalen Bedürfnissen und nicht ‚nur’ als reiner Kunstkonsument betrachtet werden muss“.
In einem Interview in der Tageszeitung Die Presse (23.10.2008) geht Höffinger so weit, den staatlichen Unterstützungsbedarf um damit ‚nicht wirtschaftliche’ Museen, in Frage zu stellen. Gemessen – wiederum am Eigendeckungsgrad – fordert er Museen, die „ausgeglichen wirtschaften“, das „ist die Startlinie für Kultureinrichtungen. Ein Fass ohne Boden kann sich keiner leisten.“
Im Gespräch macht Höffinger das Interesse von Arthur D. Little deutlich als ‚Positionierung einer Marke’ durch ‚fundierte Äußerungen’ zu „Effizienzsteigerung, Erhöhung der Erlöse, Professionalisierung der Führung in der Kultur“.
Dem Einwand der Interviewerin (Barbara Petsch), dass ja nicht alle Bereiche eines Museums profitabel seien, wie z.B. die Forschung, hält Höffinger entgegen: „Meiner Meinung nach kann sich allerdings keine einzige gesellschaftliche Dimension, einfach weil sie lustig ist oder sagt, bei uns geht das alles nicht, z.B. bei Kennzahlen, aus der Diskussion ausnehmen.“
Stefan Höffinger und damit Arthur D. Little stellen unverblümt die zentrale institutionelle Basis des Museums infrage: Die staatliche Finanzierung und damit den uneingeschränkt öffentlich-wohlfahrtsstaatlichen Charakter des Museums. Basis der Aussagen und Empfehlungen ist ein aggressives neoliberales Verständnis vom Rückzug des Staates und Überlassung nun auch kultureller Institutionen an Private und private Verwertungsinteressen.
Dabei geht man nicht zimperlich vor: Zu erklären wie man zu den statistischen Grundlagen der Aussagen (Besucherzahlen, Nicht-Besucher) kommt, dazu nimmt man sich nicht die Mühe. Die öffentliche Finanzierung wird irreführend als Subventionen bezeichnet. Indem man von Subvention spricht, kann man leichter deren Sinnhaftigkeit im Ganzen wie in Teilbereichen infrage stellen, mit dem scheinbar stimmigen Argument, auch der Staat müsse sparsam sein.
In nationalstaatlich verfassten Demokratien wird der Staat als ‚Wohlfahrtsstaat’ insofern verstanden, als er allen Bürgern Leistungen zur Verfügung stellt, die ihrem Wohl dienen – von der Wasserversorgung bis zu den Schulen, vom Verkehr bis zu den Theatern und Museen. Dies muss Rentabilitätsdenken und Gewinnabsichten entzogen sein, weil das übergeordnete Ziel Bildungs- und Sozialisierungsprozesse sind. Diese sind noch dazu, beim Museum als Formen der Selbstrepräsentation und Selbstreflexion Bestandteil der demokratischen Kultur, des Ausverhandelns von Identitäten, der Projektion von Zukunftsentwürfen, des Deutens der Vergangenheit, der Reflexion des Andren, des Fremden, ja unter Umständen des Feindes. Darin liegt die zutiefst zivilisierende Funktion des Museums.
Die Empfehlungen sind Teil einer im großen Maßstab, ‚global‘ wie wir wissen, betrieben Ökonomisierung, die Zug um Zug alle Bereiche des Öffentlichen durchdringen möchte oder z.T. schon ‚erfolgreich’ durchdrungen hat, etwa das Gesundheitswesen oder die Universität. Während dort aber immer wieder Konflikte und Debatten entstehen – wie jüngst um die ‚Bologna-Universität‘ -, und so auf das Problem aufmerksam machen und sich dabei immer auch Optionen auf Alternativen abzeichnen, gibt es diese Debatten beim Museum kaum. Welche Krise? kann der Präsident zum Beispiel des Deutschen Museumsbundes fragen. Wenn der Repräsentant einer international agierenden und namhaften Beratungsfirma das steuerfinanzierte wohlfahrtsstaatliche Museum kritisiert ist eigentlich Widerstand angesagt. Auch deswegen weil die Motive dafür – vorgetragen als Sorge um die staatlichen Finanzen – alles andere als selbstlos ist. Der herbeigeredete Zustand ist die Stunde der Berater…

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